"Und vergiss nicht, irgendwer hat eine wirklich große Nebelmaschine da oben!" Das ist der letzte von Dutzenden Tipps, die uns die einheimischen Segler in Portland im US-Bundesstaat Maine mit auf den Weg geben. Monika, Barbara, Rosi und Stephan haben zum Teil nur wenig Segelerfahrung, aber mit Seegang zwischen den mehr als 3000 Inseln rechne ich als Skipper der "Galateia" so gut wie gar nicht.
Mit dem letzten Wind des Tages segeln wir den Sheepscot River hinauf. Bilderbuch-Neuengland: ein paar Ferienhäuser zwischen Fichten, Fischerboote, eine freie Boje für uns. Zum ersten Mal Stille nach dem Touristenrummel in Portland. Aber es geht noch einsamer: 20 Meilen weiter, auf Harbor Island. Als am Abend die Ebbe die Felsen am Strand freilegt, wird das Abendessen gesammelt. Zwei Tüten Muscheln und Schnecken. Barbara hat einen guten Weißwein für den Sud ausgesucht, dazu frisches Brot. Sterne gucken. Geschichten erzählen.
Der dritte Tag der Reise bringt den ersten Nebel, reihum tuten Skipper und Crew Nebelsignale auf dem Muschelhorn. Wegen der ausliegenden Hummerbojen kann der Kurs nur selten länger als ein paar Hundert Meter exakt gehalten werden. Aber nur sechs Meilen weit, dann reicht die Sicht bis zum Anleger von Port Clyde. Dort gibt es ein Leuchtturmmuseum, zwei Kirchen, ein nettes Café, ein Fischrestaurant mit Hummern in der Badewanne und einen Dorfladen, der auch eine warme Dusche für durchreisende Segler hat.
Mit der höhersteigenden Sonne lichtet sich der Nebel. Monika steuert die "Galateia" quer über die Penobscot Bay, die Gäste dürfen an Bord alle Aufgaben übernehmen, die sie sich zutrauen. Das Tagesziel ist Vinalhaven auf der gleichnamigen Insel. Hier haben Dutzende Hummerboote ihren Heimathafen. Irgendwo müssen sich die Jungs ja verstecken, die uns täglich zum Slalom durch die Bojen zwingen! Das geht in die Millionen, was hier an Bojen schwimmt. Auf dem Meeresgrund können nur noch Gassen für den "Hummerverkehr" übrig sein!
Am Abend nach der Wanderung im Acadia-Nationalpark ist der östlichste Punkt des Törns erreicht, zur Halbzeitfeier werden die nächsten Hummer verspeist. Der Anderthalbpfünder kostet hier so um 15 Euro, dazu serviert die Lokalchefin Maiskolben und Coleslaw, milden Krautsalat.
Das Wetter bleibt uns auch für die Rückreise nach Portland gewogen. So durchsegeln wir die malerische Passage zwischen North Haven Island und Vinalhaven Island bei strahlendem Sonnenschein, nur um ein paar Kabellängen weiter in "Sicht null" zu geraten. Ohne irgendwelche Orientierungspunkte spielen uns unsere Sinne Streiche. Aber sie werden auch belohnt; magische Momente entstehen, wenn sich der Nebel hebt wie ein Schonbezug, der vorsichtig von einem teuren Gemälde abgenommen wird.
Ein einziges Mal in den 14 Tagen regnet es, am vorletzten Tag. Gelegenheit, alle Eindrücke sacken zu lassen: Erinnerungen an die Landschaft, an wundervolle Menschen, an all die Seehunde und Delfine. Und natürlich die Erinnerung an die eine Hummerboje, die wir doch mit dem Ruderblatt erwischt hatten.