Die Asservatenkammer des Zolls am Flughafen Tegel wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Ramschladen und Edelboutique.
Die Asservatenkammer des Zolls am Flughafen Tegel wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Ramschladen und Edelboutique. Dolce-&-Gabbana-Jeans und Lacoste-Polohemden hängen neben Trikots der Fußball-Nationalmannschaft und Baseballmützen der Chicago Bulls. Gegenüber füllen Pokémon-Figuren und Playstation-Spiele die Regale. Auf dem Wühltisch stapeln sich CDs und DVDs. "Würde man das alles verkaufen, könnte man viel Geld damit machen", sagt Zollamtsrat Christian Böhmer. Doch alles, was sich hier findet, sind Fälschungen und Raubkopien.
Die Zahl der nachgemachten Markenwaren, die nach Deutschland importiert werden, ist in den letzten Jahren immens gestiegen. Insgesamt 425 Millionen Euro waren die Plagiate wert, die der Zoll im vergangenen Jahr entdeckte - dreimal mehr als 2005. Allein in Tegel wurden fast 40 Tonnen Fälschungen beschlagnahmt. Etwa ein Fünftel davon bringen Urlauber illegal ins Land. Doch wenn der Zoll diese Mitbringsel entdeckt, können die vermeintlichen Schnäppchen teuer werden.
Während der Koffer eines Vietnam-Touristen noch am Gepäckband seine Runden dreht, wissen Böhmer und seine Kollegen schon ziemlich genau, was der Urlauber mit sich führt: Ein Stockwerk unter der Gepäckausgabe befindet sich der sogenannte Kofferkeller. Hier kommen nicht nur die Gepäckstücke, die in ein Flugzeug geladen werden, unter den Röntgenscanner - auch ankommendes Gepäck kann durchleuchtet werden. So findet man nicht nur Schusswaffen und Bomben, auch Schmuck, CDs und DVDs fallen der Kontrolle auf. Das wird dem Vietnam-Rückkehrer zum Verhängnis. Der Scanner zeigt: Zwei Spindeln voller CDs befinden sich in seiner Reisetasche. Der Verdacht: Raubkopien. Als der Mann den "Nichts zu verzollen"-Ausgang wählt, schlagen die Beamten zu. Ihr Verdacht bestätigt sich: gebrannte Musik-Alben von Amy Winehouse bis Robbie Williams.
Fälschungen und Raubkopien nach Deutschland zu bringen ist verboten. Nur wenn der Wert aller eingeführten Waren unter 175 Euro liegt, drückt der Zoll ein Auge zu. Ausschlaggebend ist der Preis, den ein Urlauber bezahlt hat, und nicht, was die Originale gekostet hätten. Wer mehrere nachgemachte Polohemden, Turnschuhe und Markenuhren mit sich führt, überschreitet diese Grenze recht schnell - und muss alles abgeben.
Kontrolliert werden beinahe ausschließlich Passagiere, die aus einem Land außerhalb der EU anreisen. Einen Hinweis gibt der Aufkleber am Gepäck: Ist er durchgehend weiß, heißt das, dass der Passagier aus einem Drittland einreist und damit umso wahrscheinlicher zur Zollkontrolle muss. Bei Nonstop-Flügen aus Ländern wie China, der Türkei oder Thailand, die zu den üblichen Verdächtigen in Sachen Markenpiraterie gehören, macht der Zoll in regelmäßigen Abständen auch eine Vollkontrolle. Das heißt: Am Ausgang muss jeder Passagier den Koffer öffnen.
Wer mit mehr Plagiaten erwischt wird, als die Freimenge erlaubt, dem droht ein Steuerstrafverfahren vom Zoll. Ein kostspieliger Rechtsstreit mit den Markeninhabern droht darüber hinaus grundsätzlich bei jedem Fälschungsfall. Hannes Köblitz arbeitet als Rechtsanwalt für den Aktionskreis gegen Produktpiraterie. Er vertritt Firmen wie Dolce & Gabbana und Adidas. Bei einem illegalen Import von Plagiaten schreitet er im Auftrag der Mandanten ein. Der erwischte Urlauber muss schriftlich bestätigen, künftig keine Plagiate mehr einzuführen. Zudem muss er die Anwaltskosten tragen, die im Regelfall mehrere Hundert Euro betragen. Außerdem müssen die Plagiateschmuggler auch die Kosten für die Vernichtung tragen. "Im Schnitt sind dafür rund 1500 Euro fällig", sagt Köblitz.
Die beschlagnahmten Plagiate, die den Käufern den Anschein von Luxus verleihen sollen, bringt der Zoll übrigens an einen Ort, der unluxuriöser nicht sein könnte: die Verbrennungsanlage.