Rebecca und Moni wirken, als ob sie vom bayerischen Fremdenverkehrsamt engagiert worden wären. Blonde Haare, fröhliches Lachen, ein gemütlich-aufgeweckter Landmädel-Dialekt. Und natürlich: Dirndl. Die Teenager in Landestracht gehen heute noch zum Tanz in Burghausen im Landkreis Altötting. Nur das sei der Grund für das fesche Kostüm. Erst einmal aber erklären sie einem nahezu orientierungslosen Autofahrer - nämlich mir -, wie er hinauf auf die Burg kommt, die - so erzählt Rebecca - nicht nur die längste Burg in ganz Europa sei, sondern auch die schönste.
Außerdem will sie mit einem Blick auf mein fahrendes Denkmal wissen: "Eine Straßenkarte haben S' fei nicht dabei?" Eine Karte? Nö. Brauche ich nicht. Schließlich bin ich zum Vergnügen da. Meine These: Eine Lustreise durch Oberbayern funktioniert am besten ohne Plan und Route. Denn, so wurde mir auf Nachfrage garantiert: "Hier ist es doch überall schön!" Das will ich überprüfen - in einem Karmann Ghia aus dem Jahr 1967. Optisch ein nostalgischer Sportwagen, technisch nur ein Blender mit einem VW-Käfer-Motor und lächerlichen 34 PS. Zudem: Cabriolet.
Keine andere Region in Deutschland eignet sich für so ein in jeder Hinsicht sinnliches Vergnügen auf vier Rädern mehr als die weiß-blaue Traumkulisse zwischen München und der österreichischen Grenze. Hier präsentieren sich Panoramen von einer Schönheit, die US-Amerikaner gern in Hollywood-Studios nachbauen. In Oberbayern ist der Kitsch zu Hause, nur dass man ihn schön findet, weil er eben "natürlich" entstanden ist: Blumenwiesen auf welligen Almen, bunt bemalte Bauernhöfe an Orten, an denen man nach minutenlanger Fahrt über verlassene Schotterpisten kein organisches Leben mehr erwartet hätte. Seen, Aussichtspunkte, glückliche Kühe. Und natürlich Klöster wie das herrlich gelegene Andechs am Ostufer des Ammersees. Es ist tatsächlich völlig gleich, wohin es einen auf der Fahrt durch das Berchtesgadener Land, den Chiemgau oder rund um Garmisch-Partenkirchen verschlägt: Am Ende einer lang geschwungenen Kurve auf einer vermeintlich gottverlassenen Straße wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine heimelige Ansiedlung auftauchen, die über eine malerische Dorfkirche verfügt, einen wunderbar gepflegten Fußballplatz für die Dorfjugend und einen Gasthof, in dessen Biergarten bei gutem Wetter mindestens 50 Menschen sitzen.
Natürlich ist es unfair, nur ein paar der Orte, Gasthöfe oder idyllischen Bergstraßen aufzuführen, die mir innerhalb einer Woche - meistens zufällig - begegneten. Aber an dieser Stelle ist nicht einmal Platz für einen Bruchteil der Eindrücke, die der Autowanderer binnen einer Woche gewinnt. Nun zu den subjektiven Höhepunkten meiner Reise. Fünf Dinge, die Sie nicht verpassen sollten:
1. Eine Fahrt durch die Zugspitzregion und um den Karwendel - alle 30 Sekunden ein neues Postkartenpanorama, und Sie müssen nicht einmal aussteigen.
2. Altötting am Sonntagmorgen. In den Kirchen und Kapellen rund um den Marktplatz und das Hotel "Zur Post" des ehemaligen Politikers Gerold Tandler wird gesungen und gepilgert, in den Andenkenläden gibt es original "Papstbier" und Benedikt-Kerzen ...
3. Das Museum für Deutsche Automobilgeschichte in Amerang. Mehr als 250 Oldtimer stehen hier liebevoll restauriert zur Ansicht.
4. Die Serpentinentour über 180 Kilometer von Berchtesgaden über Fürstenbrunn, Laufen, Inzell, Bad Reichenhall, Bischofswiesen und zurück.
5. Zu guter Letzt: Burghausen. Da schließt sich der Kreis. Eine charmante Stadt an der Grenze zu Österreich mit zünftigen Wirtshäusern und einer beeindruckenden Burg. Die Lokalpatriotinnen Rebecca und Moni haben es ja gleich gewusst - auch wenn sie nicht vom Fremdenverkehrsamt engagiert worden sind.