Cecilia Albani ist eine waschechte Römerin. 25 Jahre alt, bildhübsch und Hausmodel bei einem bekannten italienischen Couturier.

Cecilia Albani ist eine waschechte Römerin. 25 Jahre alt, bildhübsch und Hausmodel bei einem bekannten italienischen Couturier. Als sie zwölf war, verunglückten ihre Eltern, und sie wurde zu einer Tante ins Kloster gebracht. Erst hieß es, die Eltern kämen irgendwann und holten sie. Später sagten die Nonnen: "Mama und Papa sind im Himmel. Wenn du anständig bist und jeden Tag betest, dann kommst du auch dorthin."

Sie hat Glück gehabt, findet sie. Glück, dass sie im Kloster wohnen durfte; Glück, dass sie einen Job gefunden hat; Glück, dass sie am Leben ist. Zum Dank geht sie jeden Sonntag in die Kirche Santa Bibiana in ihrem Wohn-Viertel Esquilino.

Doch heute, an diesem strahlend schönen Frühlingssonntag, ist sie quer durch die Stadt gefahren, um den Papst zu hören, diesen "tedesco", der fast akzentfrei Italienisch spricht. Da steht sie nun, um Schlag 12 Uhr mittags, doch der Papst ist in weiter Ferne. Mehrere Tausend Menschen hatten die gleiche Idee: Sie wollen ihm beim sonntäglichen Angelus-Gebet zuhören, und sie sind viel früher als Cecilia auf dem Petersplatz erschienen.

An normalen Sonntagen zeigt sich Benedikt XVI. den Massen vom Fenster des Apostolischen Palastes aus, in dem er auch wohnt. An kirchlichen Feiertagen steht er auf dem Balkon des Petersdoms, der Platz ihm zu Füßen ist dann voll wie ein Fußballstadion.

Starke Nachfrage aus Deutschland

Doch nicht nur sonntags und zu Ostern sind Papst und Vatikan ein Reiseziel. Das zeigt sich im deutschsprachigen Pilgerzentrum ein paar Häuser vom Petersdom entfernt, wo ganzjährig Hochbetrieb herrscht. Im bescheidenen Empfangsraum liegen Anmeldeformulare für den Besuch der Vatikanischen Gärten und Museen, für Ausgrabungen unter St. Peter und für päpstliche Audienzen. Im schönen Innenhof des Gebäudes hat sich eine Schulklasse aus Bayern niedergelassen. Sie wartet auf die kostenlosen Eintrittskarten zur päpstlichen Generalaudienz, die jeden Mittwoch um 10 Uhr in der Audienzhalle oder auf dem Petersplatz stattfindet.

"Seit es den deutschen Papst gibt, haben sich die Anfragen und Besucher aus Deutschland bei uns verdreifacht", sagt Katharina Fuchs, Mitarbeiterin des Pilgerzentrums. Zu jeder Papstaudienz bestellt sie vorsichtshalber 100 bis 150 Eintrittskarten mehr, wohl wissend, dass diese in letzter Minute noch Abnehmer finden.

Woran aber liegt dieser Boom, weshalb pilgern all diese Menschen nach Rom? Kurienkardinal Walter Kasper spricht von einer "Wiederkehr der Religionen" und glaubt, dass der Mensch von seinem Wesen her religiös ist. Signor Norberto, der seit über 25 Jahren im Hotel "Columbus" gleich beim Petersdom hinter dem Empfangstresen steht, sieht das anders: Benedikt sei eben ein Star, wie Madonna, so jemanden wollen die Leute sehen. Im deutschen Pilgerzentrum glaubt man wiederum, dass jeder normale Tourist zum Pilger werden kann.

Der Trend ist inzwischen auch statistisch untermauert: Nach einer aktuellen Umfrage glauben 52 Prozent der Deutschen, dass Pilgerreisen auf lange Sicht wichtig und bedeutsam sein werden. Jeder Siebte, immerhin 14 Prozent, kann sich vorstellen, selbst eine Pilgerreise anzutreten. Weltweit buchen mittlerweile pro Jahr rund 300 Millionen Menschen aus religiösen Motiven heraus eine Reise, wandern den Jakobsweg entlang, erklimmen heilige Gipfel im Himalaja, lassen sich im Jordan taufen oder pilgern eben in die Ewige Stadt, um den Papst zu sehen.

Pilgern per Flugzeug

Der Rom-Pilger von heute nähert sich der Stadt allerdings nur selten zu Fuß. Meist reist er im Flugzeug an, übernachtet im Viersternehotel und bringt die Ehefrau mit. Eine Armada von Reiseveranstaltern bietet dabei Unterstützung an: BCT-Touristik, Viator, Ökumene-Reisen oder der Christophorus-Reisedienst - sie alle haben die Verkaufsschlager Angelus-Gebet und Papstaudienz im Programm, Katakomben, Kolosseum und Kapitol, Vatikanstadt und Engelsburg, Bischofssitz und Baptisterium. Kein Wunder, dass der gut 35 000 Quadratmeter große Petersplatz jeden Sonntag überfüllt ist.

Cecilia Albani, die den Papst nur als winzigen, hellen Fleck am Fenster über dem Petersplatz wahrnimmt, hat für heute genug vom Rummel. In der benachbarten, von Mussolini angelegten Via della Conciliazione nimmt sie ein Taxi und fährt nach Hause, zur Piazza Vittorio.

Der weitläufige Platz mit seinen Arkadenhäusern ist nicht überfüllt, hat aber trotzdem etwas Inspirierendes. Kinder aus aller Herren Länder spielen Fußball, ein Passant telefoniert lautstark mit Dhaka, ein anderer mit Abidjan. In den hohen, lichtdurchfluteten Wohnungen der umstehenden Gebäude haben sich viele Künstler niedergelassen.

Gleich neben der prächtigen Basilika Santa Maria Maggiore gibt es einen kleinen Laden: "La Casa del Rosario", das religiöse Accessoires feilhält. Cecilia mag das Viertel und das Geschäft. Heute kauft sie sich eine Papst-Benedikt-Kerze, 20 Zentimeter hoch. Die reicht für ein paar Monate, sagt sie, bis zu ihrer nächsten Pilgerfahrt zum Heiligen Vater.