Flüchtlingsmanagement

Fehler im System

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Andreas Abel

Berliner Landesamt muss die Unterbringung von Flüchtlingen völlig neu organisieren

– Gutachter stellen ihre Expertisen gern mit einem Ampelsystem vor. „Grün“ heißt dann: keine Beanstandungen, „rot“: wesentliche Mängel. Im Abschlussbericht der Wirtschaftsprüfer, die die Verträge für 22 der rund 60 Berliner Flüchtlingsunterkünfte durchleuchtet haben, kommt die Farbe Grün gar nicht vor. „Gelb“ wurde nur in wenigen Fällen vergeben, der vorherrschende Ton ist „Rot“. Bei allen Vergabeverfahren stellten die Prüfer wesentliche Mängel fest – egal, ob es sich bei den Betreibern um private oder gemeinnützige handelt. Da wurde gegen Dienstanweisungen verstoßen, wurden Grundsätze des Haushaltsrechts verletzt. Die Vergaben sind intransparent, die Dokumentation lückenhaft, die Verantwortlichkeiten nicht klar abgegrenzt. „Es existieren keine klar definierten Soll-Prozesse“, resümieren die Experten. „Das konnte ich mir nicht vorstellen“, sagte dazu Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Donnerstag sichtlich frustriert.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) unter seinem Präsidenten Franz Allert ist eine Behörde mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Davon kümmern sich derzeit rund 130 um Flüchtlinge. Die Mitarbeiterzahl ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Noch viel stärker aber wuchs die Zahl der Asylbewerber. Das setzte die Kollegen und die Führung des Hauses unter Druck. Sie mussten schnell neue Unterkünfte dafür finden. Lange Zeit kamen die vor allem von privaten Investoren, die dann auch stets selbst den Betreiber stellten.

Die Folge war, dass im Lageso regelmäßig von dem üblichen Gebaren einer geordneten Verwaltung abgewichen wurde. Einige Beispiele: Unterkünfte wurden in etlichen Fällen eröffnet und betrieben, ohne dass dafür ein abgeschlossener Vertrag vorlag. Kostenerstattungen erfolgen teilweise ohne schriftliche Grundlage. Um die Tagessätze zu ermitteln, die die Heimbetreiber vom Lageso für die Unterbringung der Flüchtlinge kassieren, wurde lediglich ein „Kalkulationsformblatt“ benutzt. Diese Tagessätze sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den beiden Partnern und nicht etwa Resultat einer öffentlichen Ausschreibung oder einer Marktabfrage. In insgesamt zwölf der untersuchten 22 Vergabeverfahren zahlte das Lageso eine „Liquiditätsfinanzierung“, also ein Darlehen. Allerdings wurden keine Zinsen berechnet, keine Laufzeiten festgelegt und keine Sicherheiten eingeholt.

Neue Leitung, mehr Personal

Aber Czaja steuert bereits seit mehreren Monaten dagegen. Im vergangenen Sommer beschloss er, Flüchtlingsunterkünfte künftig vorrangig in landeseigenen Immobilien unterzubringen oder in Senatsregie auf Grundstücken der öffentlichen Hand zu bauen und sicherte sich dafür die Zustimmung des Senats. Eine Task Force wurde eingerichtet, die den Bau der sechs Containerdörfer für Flüchtlinge organisierte. Nun folgt der nächste Schritt: die Neuorganisation der Unterbringungsleitstelle, die in einem eigenen Referat zum „Flüchtlingsmanagement“ aufgewertet wird. Zusätzlich werden diesem neuen Referat, zumindest für einige Monate, zwei erfahrene Manager vorgesetzt: Petra Hildebrandt vom Wohnungsunternehmen „Stadt und Land“ und Stephan Herting, Bezirksamtsdirektor in Reinickendorf. Die in der Senatsverwaltung angesiedelte Fachaufsicht für das Lageso greift verstärkt steuernd ein, die Innenrevision soll verstärkt werden. Das Personal wird aufgestockt. Und vor allem sollen Auswahlprozesse für neue Unterkünfte und die Auftragserteilung klar strukturiert, festgelegt und dokumentiert werden. Dabei fordern die Wirtschaftsprüfer vor allem, die Auswahl von Immobilien für Flüchtlingsunterkünfte und die Auswahl von Betreibern strikt zu trennen.