Medizin

Vier Möglichkeiten bei der Sterbehilfe

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Matthias Kamann

Im Bundestag nehmen verschiedene Gesetzentwürfe Gestalt an – von Verbot bis Zulassung

Jetzt beginnt die Phase der Entscheidung. Nachdem monatelang alle erdenklichen Experten, Bedenkenträger und Betroffenen ihre Meinungen über die Sterbehilfe ausgetauscht haben, müssen sich die Bundestagsabgeordneten nun festlegen. Auch die Bürger: Wie soll die Suizidhilfe, also die Assistenz bei der freiverantwortlichen Selbsttötung durch Bereitstellung tödlich wirkender Medikamente, in Deutschland geregelt werden? In diesen Tagen stellen dazu insgesamt vier Abgeordnetengruppen ihre unterschiedlichen Gesetzentwürfe vor, über die der Bundestag im November in einer Abstimmung ohne Fraktionszwang entscheiden soll.

Ein Totalverbot fordert eine Gruppe um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU). Laut ihrem Gesetzentwurf sollen sowohl die Anstiftung zur Selbsttötung als auch die Hilfe dabei mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Keinerlei Ausnahme ist für Ärzte oder nahe Angehörige vorgesehen. Mithin müsste Suizidhilfe in Deutschland vollständig unterbleiben.

Auf der entgegengesetzten Seite steht eine Gruppe um Petra Sitte (Linke) sowie Kai Gehring und Renate Künast (beide Grüne). Ihr Gesetzentwurf, den sie offiziell am Donnerstag vorstellen werden, sieht nach Informationen der Berliner Morgenpost vor, dass die Suizidhilfe grundsätzlich straflos bleibt, sofern sie einer erwachsenen, freiverantwortlich handelnden Person nach eingehender Beratung geleistet wird. Was Ärzte betrifft, so will diese Gruppe festschreiben, dass die Suizidhilfe eine ärztliche Aufgabe sein „kann“ und den Ärzten nicht untersagt werden darf. Entgegenstehende Regeln wären damit unwirksam. Das würde bedeuten, dass Verbotsvorschriften im ärztlichen Standesrecht, die es in derzeit zehn von insgesamt 17 Landesärztekammern gibt, für Ärzte bei einer Suizidhilfe keine rechtliche Wirkung entfalten könnten.

Künast, Gehring und Sitte stellen sich zugleich ein Verbot der „gewerbsmäßigen“ Suizidhilfe vor. Demnach würde mit Gefängnis bestraft, wer die Suizidhilfe leistet, um sich durch wiederholte Handlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Vorgesehen ist bei diesen drei Abgeordneten im Übrigen eine Evaluation des Gesetzes nach einigen Jahren. Dann soll geprüft werden, ob die ausdrückliche rechtliche Ermöglichung der Suizidhilfe ungewollte gesellschaftliche Folgen hat.

Bislang ist die Suizidhilfe in Deutschland völlig straffrei. Denn die Haupttat, der Suizid, ist ja auch keine Straftat. Mithin kann aus rechtssystematischen Gründen die Beihilfe ebenfalls nicht bestraft werden, sodass Sterbehilfevereine und auch regelmäßig handelnde Ärzte wie der Berliner Arzt Uwe-Christian Arnold mit bislang gut 300 Suizidassistenzen völlig legal handeln. Doch diese organisierte Suizidhilfe durch Vereine und regelmäßige „Einzeltäter“ will eine dritte, sehr große Gruppe durch einen recht restriktiven Entwurf unterbinden, der am Dienstag vorgestellt wurde.

Absicht ist entscheidend

Zu dieser Gruppe haben sich unter anderem Michael Brand (CDU), Kerstin Griese und Eva Högl (beide SPD), Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe (beide Grüne) sowie Kathrin Vogler und Halina Wawzyniak (beide Linke) zusammengefunden. Laut ihrem Entwurf „wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Bußgeld bestraft, wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt“. Demnach bliebe die Suizidassistenz erst einmal straffrei. Aber sie wäre immer dann verboten, wenn sie mit Wiederholungsabsicht und „geschäftsmäßig“ geleistet würde. Doch stellt sich die Frage, wie man die Gewissensentscheidung in Ausnahmefällen von regelmäßigem Handeln abgrenzen soll. „Die Absicht ist entscheidend“, sagte Michael Brand und ergänzte: „Dann müssen Gerichte entscheiden.“

Schwierig wird in diesem Entwurf auch der Umgang mit dem sogenannten Sterbetourismus. Bei ihm fahren derzeit nicht wenige Deutsche zu Sterbehilfevereinen in die Schweiz, die dort ganz legal agieren, und nehmen sich in Zürich das Leben. Doch laut dem Entwurf dieser Gruppe wäre die dortige organisierte, „geschäftsmäßige“ Suizidhilfe nach deutschem Recht eine Straftat. Und das hieße, dass man in Deutschland bestraft werden könnte, wenn man Teilnehmer dieses Sterbetourismus wäre. Etwa dadurch, dass man den Suizidenten bei der Fahrt in die Schweiz unterstützt. Diese Teilnahme will die Gruppe auch tatsächlich bestrafen. Aber ihr Entwurf macht eine Ausnahme: Angehörige oder „nahestehende“ Personen sollen als Teilnehmer straffrei bleiben.

Derzeit sieht es so aus, als bekäme dieser Entwurf im Bundestag bei der Schlussabstimmung im November eine breite Mehrheit. Unterschrieben wurde er bereits von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Unionsfraktionschef Volker Kauder (beide CDU).

Noch nicht ganz klar ist der Plan der vierten Gruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sowie die beiden SPD-Fraktionsvizes Carola Reimann und Karl Lauterbach. Diese Gruppe will Ärzten explizit die Assistenz bei der Selbsttötung erlauben, sofern der Patient eine tödliche Krankheit hat und umfassend beraten wurde. Den genauen Plan will diese Gruppe in den kommenden Tagen ausarbeiten.