Nach acht Tagen Geiselhaft sind die in der Ostukraine festgesetzten OSZE-Militärbeobachter wieder frei. Die Männer, unter ihnen vier Deutsche, landeten am Sonnabendabend an Bord einer Bundeswehr-Maschine in Tegel. Der Leiter der Beobachtermission, der deutsche Oberst Axel Schneider, äußerte sich erleichtert. „Von uns fällt im Moment ein beträchtlicher Druck“, sagte Schneider. „Die Anspannung war enorm.“ Prorussische Separatisten hatten die Männer am Sonnabend freigelassen. Zu der Gruppe gehören drei Bundeswehrsoldaten und ein Dolmetscher aus Deutschland sowie ein Pole, ein Tscheche und ein Däne,
Parallel eskalierte in der Ukraine die Gewalt: Die Regierung in Kiew meldete schwere Gefechte in der Stadt Kramatorsk, südlich der umkämpften Separatistenhochburg Slawjansk. „Was wir in der Region Donezk und in den östlichen Regionen sehen, ist kein kurzlebiger Aufstand. Es handelt sich um einen Krieg“, sagte der Leiter des ukrainischen Anti-Terror-Zentrums, Wasil Krutow. Die Unruhen sprangen auch auf Odessa über. Dort starben bei Krawallen zwischen Gegnern und Anhängern der Übergangsregierung mehr als 40 Menschen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich bestürzt über die Todesopfer: „Die Tragödie von Odessa muss ein Weckruf sein.“ Angesichts der Kämpfe hält Russlands Präsident Wladimir Putin die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine für undurchführbar. US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel pochen aber auf diesen Termin.
Tote bei Unruhen in Odessa
Im bislang von Kämpfen verschonten Odessa kam es am Freitag zu Straßenschlachten. Ein Gewerkschaftsgebäude, in das sich prorussische Demonstranten zurückgezogen hatten, wurde in Brand gesteckt. Rund 2000 Menschen versammelten sich vor dem ausgebrannten Gebäude und riefen: „Odessa ist eine russische Stadt.“ In den Krankenhäusern bildeten sich Schlangen von Menschen, die Blut spenden wollten.
Die russische Regierung machte die Führung in Kiew und ihre westlichen Unterstützer für den gravierendsten Zwischenfall seit dem Sturz des von Russland unterstützten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch verantwortlich. Die Regierung in Kiew vermutete dagegen Gruppen aus Russland und prorussische Separatisten aus der Nachbarregion Transnistrien hinter den Ausschreitungen.
In Kramatorsk brachten ukrainische Truppen einen Fernsehturm und das Hauptquartier des Geheimdienstes unter ihre Kontrolle. Seit der Morgendämmerung seien die Vorstöße gegen die Separatisten fortgesetzt worden, teilte Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite mit. Auch in Slawjansk seien die Kämpfe wieder aufgenommen worden. „Wir werden nicht nachlassen“, erklärte er. In Slawjansk hatten Separatisten am Vortag zwei Kampfhubschrauber abgeschossen. Ukrainische Kräfte besetzten Vororte, aber die Separatisten behielten die Kontrolle über die größten Teile der 130.000 Einwohner zählenden Stadt.
Dort ließen die Rebellen auch ihre Geiseln frei. „Wie ich es ihnen versprochen hatte, haben wir gestern meinen Geburtstag gefeiert und sie laufen lassen“, sagte der Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wertete die Freilassung als Beleg der „Tapferkeit und des Humanismus“ der Verteidiger von Slawjansk. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hob die Rolle Russlands bei der Freilassung der Geiseln hervor. Er wolle sich „ganz herzlich für den persönlichen Einsatz von Wladimir Lukin“ bedanken, sagte er in Berlin. Putin hatte seinen Unterhändler Lukin nach Slawjansk geschickt, um zu vermitteln.
Bislang hat der Westen Russland vorgeworfen, seinen Einfluss auf die Separatisten nicht zu nutzen, um auf eine Entspannung der Lage hinzuwirken. Ganz im Gegenteil heize Moskau mit der Massierung von Truppen an der Grenze die Lage an. US-Außenminister Kerry erklärte am Rande einer Kongo-Reise, er habe Lawrow gesagt, Russland müsse seine Unterstützung für die Separatisten beenden. Lawrow forderte nach eigenen Angaben die USA auf, ihren Einfluss geltend zu machen, damit das „Regime in Kiew“ sofort seinen Militäreinsatz in der Ostukraine beende.
Referendum am 11. Mai
In Donezk, dem industriellen Zentrum im Osten des Landes haben Separatisten ein Referendum für den 11. Mai über eine Abtrennung ihrer Region von der Ukraine angekündigt. Auch der Abspaltung der Halbinsel Krim ging eine Volksabstimmung voraus. Russland rechtfertigt seine Interventionen damit, die vielfach russischstämmige Bevölkerung in der Ostukraine schützen zu wollen.