Kommentar

Hätte Bahr bloß geschwiegen!

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Philipp Neumann über die gescheiterten Honorarverhandlungen der Ärzte

Dass die Ärzte die Verhandlungen übers Honorar unterbrochen oder sogar abgebrochen haben, klingt erst einmal dramatischer, als es ist. Wer nicht über Geld verhandeln will, bekommt auch keines, jedenfalls nicht mehr Geld. Darum und nur darum wäre es bei der Sitzung der Honorarverhandler am Montag gegangen.

Für die Patienten und die Ärzte ändert sich vorerst gar nichts. Von dem angekündigten Streik und den Praxisschließungen soll sich niemand verrückt machen lassen. Ob es dazu kommt, steht erst einmal in den Sternen. Richtig ist aber, dass die Ärzte so erregt sind wie lange nicht.

Der Abbruch der Gespräche ist natürlich ein politisches Signal. Die Ärzte zielen direkt auf den Gesundheitsminister. Sie wollen Daniel Bahr in ihren Konflikt mit den Krankenkassen hineinziehen. Wo der FDP-Politiker in diesem Streit steht, hat er leichtsinnigerweise bereits erkennen lassen, als er die Kassen noch vor Beginn der Gesprächsrunde am Montag via Zeitungsinterview für ihre überzogenen Forderungen gerügt hat. Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ergriff für die Ärzte Partei. Damit sind beide den Medizinern schon in die Falle gegangen und haben die FDP zur Ärztepartei gemacht. Eine neutrale, an der Sache – und am Wohl der Patienten – orientierte Lösung des Konflikts ist so immer weniger denkbar. Genau das herbeizuführen aber wäre jetzt Bahrs wichtigste Aufgabe.

Hätte der Minister bloß geschwiegen! Denn in der Sache hat er gar nicht unrecht. Die Kassen haben mit ihrer Forderung nach einer Minusrunde die Ärzte erst zum Protest aufgestachelt. Angesichts von mehr als 20 Milliarden Euro Reserven in der gesetzlichen Krankenversicherung war es eine Provokation, einen Einkommensverzicht der Mediziner von zwei Milliarden zu verlangen. Man kann dies rügen, aber als Minister am besten erst nach den Verhandlungen. Auch aus Tarifverhandlungen hält sich die Politik besser heraus. Alles andere gibt eine blutige Nase.

Natürlich wollen die Ärzte an die Geldreserven der Krankenkassen – und damit an das der Beitragszahler. Diesen Wunsch haben sie mit Krankenhäusern, Apotheken und der Pharmabranche gemeinsam. Aber hinter ihrer Forderung nach sagenhaften 3,5 Milliarden Euro steckt in Wahrheit ein innerärztlicher Konflikt.

Denn so einig, wie die Doktores nach außen gerne sein wollen, sind sie gar nicht. Die Einkommensverhältnisse der einzelnen Arztgruppen sind höchst unterschiedlich. Transparenz gibt es nicht, das hochkomplexe System der Honorarverteilung verstehen nur Eingeweihte. Daran hat sich auch nach einer aufwendigen Honorarreform vor wenigen Jahren nichts geändert. Für diese Ungleichgewichte ist allein die ärztliche Selbstverwaltung verantwortlich, nicht die Krankenkassen und nicht die Politik. Nur die Ärzte können dieses Problem lösen. Stattdessen lenken sie ihren Konflikt ein Jahr vor der Bundestagswahl auf die Politik um und halten die Hand auf. Ganz so einfach geht es dann doch nicht.