Gesundheit

Alles im Griff

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Philipp Neumann

Der Organspende-Skandal wird zu den Akten gelegt. Der Gipfel bei Gesundheitsminister Bahr bringt nur Absichtserklärungen

- Fast schien es, als versage dem Gesundheitsminister die Stimme. In Sätzen, von denen zunächst nur die Hälfte zu verstehen war, rief Daniel Bahr (FDP) die Deutschen dazu auf, sich trotz des jüngsten Skandals mit ihrer Bereitschaft zur Organspende zu befassen. "Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe", sagte Bahr und wirkte so, als müsse er um Fassung ringen. Tatsächlich war es nur ein Problem mit der Mikrofonanlage, das dazu führte, dass seine Worte verschluckt wurden.

In jedem Fall war es wohl eine der größten Pressekonferenzen, die das Gesundheitsministerium je erlebt hat. 16 hochrangige Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenkassen, der Krankenhäuser und der Politik saßen auf dem Podium. Gut zwei Stunden hatten sie über die Organspendeskandale in Göttingen und Regensburg beraten. Wer denen, die anschließend zu Wort kamen, zuhörte, konnte jedoch den Eindruck gewinnen, dass die Veranstaltung relativ folgenlos bleibt. Von Aufklärung, Transparenz und Konsequenzen war wortreich die Rede. Passieren wird aber wohl wenig.

Ein "Diskussionspapier" habe man beschlossen, sagte der Gesundheitsminister. Ob es gesetzliche Änderungen geben werde, müsse man sehen, sagte der Vorsitzende der Ländergesundheitsminister, Andreas Storm (CDU). Überhaupt sei es "nur ein erstes Gespräch" gewesen, bemerkte der Vizechef des Spitzenverbands der Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg. Und die Ärzte?

Ihr Präsident Frank Ulrich Montgomery ergriff auf der Pressekonferenz nicht selbst das Wort. Auf Fragen von Journalisten nannte er die Vorfälle in Göttingen und Regensburg, bei denen ein Chirurg indirekt die Warteliste für Spenderorgane manipuliert hatte, Einzelfälle. Man solle bei der Diskussion "das Kind nicht mit dem Bade ausschütten", sagte Montgomery.

In Göttingen und Regensburg soll Patienten gegen Geld ein Spenderorgan verschafft worden sein, indem Daten über ihren Krankheitszustand offenbar manipuliert wurden und sie so auf der Warteliste nach oben rückten. In Verdacht stehen drei Mediziner, gegen die Staatsanwälte ermitteln

Die ärztlichen Kommissionen hätten in den letzten zehn Jahren 50.000 Fälle analysiert und dabei 119 Auffälligkeiten festgestellt, rechnete Montgomery vor. Nur 21 Mal hätten Ärzte aber gegen die Richtlinien der Organverteilung verstoßen. Da könne man "nicht von kriminellem Verhalten sprechen". Die Botschaft des Ärztepräsidenten: Alles halb so schlimm. Auch Bahr und Stackelberg sprachen von Einzelfällen und von "wenigen schwarzen Schafen in einer großen Herde" von Transplantationsmedizinern. Es wirkte so, als solle der Skandal nun zu den Akten gelegt werden.

"Wir haben in der Vergangenheit sehr professionell gearbeitet", sagte Montgomery. "Wir sehen uns in unserer Arbeit bestätigt." Unmittelbar zuvor hatte Gesundheitsminister Bahr allerdings mehrfach davon gesprochen, dass die ärztlichen Kontrollinstanzen nun mit "professionelleren Strukturen" versehen würden. So sollen die Länder künftig an den Kontrollen des Transplantationsgeschehens mitwirken. Bis zum November dieses Jahres soll es zusätzliches Personal für eine gemeinsame Geschäftsstelle von Kassen, Ärztekammer und Krankenhäusern geben. "Organisatorische Unterstützung" heißt das diplomatisch in dem sechsseitigen Papier, das die Runde am Montag verabschiedete. Zusammen mit erweiterten Dokumentationspflichten der Transplantationszentren kann man das alles als Misstrauensbeweis gegen die Ärzteschaft verstehen.

Dazu gehört auch, dass die Berichte der ärztlichen Prüf- und Überwachungskommissionen künftig jährlich auf einer Pressekonferenz präsentiert werden sollen. Bisher waren die Berichte öffentlich nicht zugänglich. Die Dossiers der vergangenen zehn Jahre, aus denen der Ärztepräsident zitierte, wurden erst am Montag zugänglich gemacht.

Auch in anderen Punkten konnte die große Runde keine Position finden. So scheiterten die Krankenassen zunächst mit ihrem Plan, die Richtlinien für Transplantationen nicht mehr allein von der Bundesärztekammer erarbeiten zu lassen. Gesundheitsminister Bahr lehnte dies klar ab, worauf Kassenverbandschef Stackelberg diese Forderung ebenso klar wiederholte. Auch in der Frage, ob es genügend oder zu viele Transplantationszentren in Deutschland gibt, gab es Dissens. Die Krankenkassen meinen, man komme mit weniger Zentren aus, die Krankenhäuser halten die Zahl für ausreichend.

Große Einigkeit herrschte zwar darin, die Bezahlung für Transplantationsmediziner zu verändern. Boni für eine bestimmte Menge an Transplantationen seien "Fehlanreize", heißt es in dem Papier. Aber auch hier soll es nur eine Selbstverpflichtung der Krankenhäuser geben. Ein Gesetz ist dagegen nicht geplant. Auch Verstöße gegen die Regeln für Transplantationen werden noch nicht schärfer geahndet. Hier soll zunächst geprüft und abgewartet werden.

"Es gibt ganz viele Diskussionen", fasste Minister Bahr die Sachlage zusammen. Man bleibe im Gespräch.