- Es wird ein großer Konferenzsaal sein, den das Bundesgesundheitsministerium am heutigen Montag bereitstellt. Viele Gäste hat Hausherr Daniel Bahr (FDP) eingeladen, darunter gleich sechs Minister aus den Bundesländern, eine Handvoll von Vertretern der Ärzteschaft, dazu Repräsentanten der Krankenhäuser und der Kassen. Thema der Zusammenkunft: Konsequenzen aus dem Organspendeskandal an den Universitätskliniken in Göttingen und Regensburg.
Bahr hatte diese Konsequenzen mehrfach angekündigt, jetzt bittet er um Vorschläge. Die Länder und die Selbstverwaltung, die die Kliniken in dieser Hinsicht beaufsichtigen, sollen Ideen liefern. Dem Gesundheitsminister selbst sind rechtlich weitestgehend die Hände gebunden, bisher jedenfalls. Er kann den Reformprozess höchstens moderieren. "Wir erwarten Vorschläge von den Beteiligten, wie die Abläufe verbessert werden können. Wir wollen das Vertrauen in die Organspende wiederherstellen", erklärt ein Ministeriumssprecher. Einen "Paukenschlag" gebe es jetzt nicht, aber das Treffen solle der Auftakt zu einem Prozess sein. Und natürlich solle der Skandal aufgeklärt werden.
Verfahren für mehr Transparenz
Schon vor dem Treffen wurde deutlich, dass es künftig mehr Kontrollen geben soll und dass diese Kontrollen künftig nicht mehr allein in den Händen der Ärzteschaft liegen werden. Bahr selbst forderte Sonderkontrolleure, die den Medizinern auf die Finger schauen. Auch aus den Ländern und dem Bundestag wurde der Ruf nach mehr staatlicher Aufsicht laut. Insgesamt soll das Transplantationsgeschehen transparenter werden.
"Wir brauchen eine breitere Diskussion über die Organspendekriterien und mehr Transparenz bei den Entscheidungen über die Regeln", verlangt beispielsweise der Vizechef des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg. Er würde die Kriterien, nach denen Organtransplantationen vorgenommen werden, gern in einem öffentlichen Verfahren diskutieren, sagte er der Berliner Morgenpost. Bisher werden die Richtlinien für Entnahme und Vermittlung von Organen von der Bundesärztekammer quasi hinter verschlossenen Türen erarbeitet. Geht es nach den Kassen, soll diese Aufgabe künftig vom Gemeinsamen Bundesausschuss - dem obersten Gremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen - übernommen werden. "Die Beratung und Beschlussfassung im Gemeinsamen Bundesausschuss würde die Transparenz schaffen, die es heute nicht gibt", sagte von Stackelberg. Sein Argument: "Im Gemeinsamen Bundesausschuss wird öffentlich beraten und jeden Monat in einem Pressegespräch über die Arbeit berichtet."
Der saarländische Sozialminister Andreas Storm (CDU), der zurzeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz innehat, möchte an einer anderen Stelle für mehr Transparenz sorgen: "Die Transplantationszentren sollten stärker in die Pflicht genommen und kontrolliert werden", sagte er der Morgenpost. Man müsse prüfen, "ob wir nicht das Gesetz dahin gehend ändern müssen, dass die Länder eine Kontrollfunktion erhalten." Denkbar sei auch, dass eine externe Überprüfung der Zentren durch die Prüfungskommission der Ärzteschaft mit Unterstützung des jeweiligen Landes stattfinde. Über eine Selbstverpflichtung der Zentren, die Vergütung der Ärzte nicht an der Zahl der Transplantationen zu orientieren, müsse man ebenfalls nachdenken, sagte Storm.
Prüfung durch mehrere Ärzte
Eine Entkoppelung der Transplantationsmedizin von ökonomischen Interessen möchte auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). "Ärzte dürfen keine Boni für Operationen mehr erhalten, und die Zentren sollten pauschal und nicht mehr pro einzelner Transplantation bezahlt werden", empfahl Prüfer-Storcks. Zudem sollte die Zahl der Kliniken mit Transplantationen drastisch gesenkt werden, um Konkurrenz und Aufwand zu minimieren. "Mit der Hälfte kämen wir gut zurecht."
Eine größere Rolle des Staates wünscht sich auch Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz. Wie die Krankenkassen möchte Dreyer die Erarbeitung der Richtlinien für Transplantationen nicht allein der Bundesärztekammer überlassen. Diese Richtlinien sollten vom Bund genehmigt werden, meint sie. Auch die Koordinierungsstelle für Transplantationen, die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), solle "durch die Beteiligung des Bundes an den Prüfungskommissionen bei der Bundesärztekammer" schärfer kontrolliert werden. Dass die Entscheidungen darüber, welche Patienten welche Organe transplantiert bekommen, künftig von mehreren Medizinern überprüft werden, gilt inzwischen als selbstverständlich. Rheinland-Pfalz ist für ein "Mehr-Augen-Prinzip", das auch von der Ärzteschaft befürwortet wird. Das Saarland und Bayern wollen sogar ein "Sechs-Augen-Prinzip".
Nicht eingeladen zum Treffen im Gesundheitsministerium sind die Gesundheitspolitiker aus dem Bundestag. Auch wenn diese durchaus Vorstellungen davon haben, wie es bei der Organspende weitergehen soll. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) etwa wünscht sich ebenfalls eine stärkere staatliche Aufsicht - übrigens in seltener Eintracht mit den Grünen. "Es muss eine externe, staatliche Kontrolle mit klaren Zuständigkeiten und Hierarchien geben", sagte Singhammer und schlägt als Institution, die diese Rolle einnehmen könnte, das Paul-Ehrlich-Institut vor, das dem Ministerium unterstellt ist. Ein weiterer Punkt ist dem CSU-Politiker wichtig: Die Bonus-Systeme, nach denen Chefärzte bisher bezahlt werden, müssten abgeschafft werden.