Religion

"Beschneidung ist Körperverletzung"

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Ärzte kritisieren Ritus. Bundestag setzt Thema auf Tagesordnung

- Der Bundestag wird sich in seiner Sondersitzung am kommenden Donnerstag neben der Finanzhilfe für Spanien dem Thema Beschneidungen widmen, wie die Berliner Morgenpost erfuhr. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen arbeiten an einem gemeinsamen Entschließungsantrag. In einem umstrittenen Urteil hatte das Kölner Landgericht in der fachgerechten religiösen Beschneidung eines Jungen den Tatbestand der Körperverletzung erkannt. In dem Entschließungsantrag soll verlangt werden, Rechtssicherheit herzustellen. "Ich sehe eine gute Chance, dass es zu einem interfraktionellen Entschließungsantrag kommt", sagte der SPD-Rechtspolitiker Burkhard Lischka der Morgenpost. Ziel sei es, religiöse Beschneidungen unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. "Dabei müssen wir die Religionsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das Kindeswohl abwägen", sagte Lischka. Ob es am Donnerstag eine Aussprache zu dem Entschließungsantrag gibt, ist nach Morgenpost-Informationen noch offen. Man sei sich einig in der Forderung, dass die Bundesregierung im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen soll, der Ärzte vor Strafverfolgung bei der medizinisch fachgerechten Beschneidung von Jungen schützt, hieß es.

Die Kinderärzte gehen angesichts dieser Entwicklungen auf die Barrikaden. Für die Politik scheine der Rechtsfrieden "mehr zu zählen als das persönliche Trauma" Minderjähriger, kritisierten die deutschen Kinderärzte. Die Befürworter ritueller Beschneidungen bagatellisierten "diese Form der Körperverletzung".

Knobloch lobt die Kanzlerin

Ähnlich äußerte sich der Kreis der Laizisten in der SPD, der sich damit gegen die eigene Parteispitze stellte. Es sei erschreckend, wie leichtfüßig die Religionsfreiheit von Eltern über die Rechte von Kindern gestellt werde. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht in der Diskussion die körperliche Unversehrtheit von Jungen infrage gestellt. Verbandspräsident Wolfram Hartmann verwies auf "lebenslange körperliche und vor allem seelische Verletzungen". Gerade bei minderjährigen Kindern sei "das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" höher zu bewerten als die ebenfalls im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit, so Hartmann.

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte von der Bundesregierung eine rasche Regelung zur Legalisierung von Beschneidungen. "Ich bin nicht bereit, nur ein Jota jüdischer Identität aufzugeben", schreibt Knobloch im Bielefelder "Westfalen-Blatt". Die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses begrüßte die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Angela Merkel will verhindern, dass Deutschland als einziges Land den jüdischen Ritus verbietet", sagte Knobloch. "Diese Klarstellung war fällig." Bis zu der von der Bundesregierung angekündigten rechtlichen Klarstellung werde sie betroffene Familien juristisch und finanziell voll unterstützen. Jüdische Menschen müssten "ihre Religion so leben können, wie sie sie verstehen, nicht wie andere es gerne hätten".

( dfs/BM )