- Die Bundesregierung stärkt die Rechte der Patienten gegenüber Ärzten und Krankenkassen: Nach jahrelangen Debatten beschloss das Kabinett ein Gesetz, in dem die Patientenrechte gebündelt und gestärkt werden sollen. Dieses verbessert unter anderem die Möglichkeiten der Bürger, nach Behandlungsfehlern Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Patienten müssen umfassend informiert werden, ferner erhalten sie ein Recht auf Akteneinsicht. Bei groben Behandlungsfehlern muss der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre. Bei einfachen Fehlern trägt der Patient nach wie vor die Beweislast.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, das Gesetz helfe Patienten, ihre Rechte zu kennen und besser durchsetzen zu können. Denn Studien zufolge kennen 60 Prozent der Patienten ihre Rechte überhaupt nicht oder nur unvollständig. Viele Patienten klagten zudem über mangelnde Information durch den Arzt, sie fühlten sich oftmals alleingelassen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger bei der Vorstellung des Kabinettsentwurfs in Berlin.
Mehr Klarheit und Transparenz
Patienten müssten nun "über die Behandlung umfassend informiert werden". Dies gelte auch für die Kosten einer Behandlung, wenn die Krankenkasse die Kosten ausnahmsweise nicht übernimmt. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte, das Gesetz ermögliche Arzt-Patienten-Gespräche auf Augenhöhe. Es sorge für mehr Klarheit und Transparenz im Gesundheitswesen. Bisher sind die Rechte der Patienten in einer Vielzahl von Vorschriften in verschiedenen Rechtsbereichen - zum Teil lückenhaft - geregelt. Bahr sagte, eine generelle Umkehr der Beweislast komme nicht infrage und nütze den Patienten auch nicht: "Wir brauchen keine Risikovermeidungs-, sondern eine Fehlervermeidungskultur." Ärzte müssten Risiken eingehen können, um Patienten zu helfen.
Kranken- und Pflegekassen werden verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen, etwa durch medizinische Gutachten. Zudem werden nicht fristgemäße Entscheidungen der Krankenkassen - etwa über Kostenübernahme für ein Hörgerät - künftig sanktioniert. Wenn die Kassen nicht innerhalb von drei Wochen entscheiden, dürfen die Versicherten sich die Leistung selbst beschaffen und erhalten sie erstattet. Braucht die Kasse ein medizinisches Gutachten zur Entscheidung, verlängert sich die Frist auf fünf Wochen.
Der Deutsche Ärztetag in Nürnberg begrüßte das Gesetz, da es mehr Transparenz und Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte schaffe. Insbesondere die geplanten Vergütungszuschläge für Kliniken, die sich an Fehlermeldesystemen beteiligen, seien sinnvoll.
SPD spricht von "Placebo"
Mit Blick auf die vorgesehenen Informations- und Dokumentationspflichten warnten die Delegierten jedoch vor zusätzlicher Bürokratie. "Im Vordergrund muss die Behandlung der Patienten und nicht die Dokumentation aller vor, während und nach der Behandlung veranlassten Maßnahmen stehen", hieß es in einer Entschließung des Ärztetages.
Scharfe Kritik kam von der Opposition. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner erklärte, das Gesetz sei "im Wesentlichen eine Festschreibung der aktuellen Rechtsprechung". Sie sprach von einem "Placebo", der keinen Fortschritt für die Betroffenen bringe.