Ägypten

Parlamentseröffnung im Zeichen der Bärte

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Birgit Svensson

Drei Stunden dauert es, bis die 508 Abgeordneten alle ihren Eid geschworen haben. Dem Volk wollen sie dienen, die Verfassung und das Recht respektieren. So viele Bärte hat das ägyptische Parlament seit seiner Gründung 1923 während der britischen Mandatsmacht wohl noch nie gesehen.

45,7 Prozent der ägyptischen Wähler haben den Muslimbrüdern ihre Stimme gegeben. Die meisten von ihnen tragen Anzug und kurze Bärte.

Weitere 24,6 Prozent haben die radikal-islamische Salafisten-Partei gewählt. Diese hatten zunächst angekündigt, ihre Abgeordneten auch auf die Scharia, das islamische Recht, schwören zu lassen. Doch die Konfrontation bleibt vorerst aus. Brav lesen auch die Herren in langen Bärten und weißen Gewändern den Schwur vom Zettel ab. Nichts soll die historischen Stunden trüben. Die Auseinandersetzungen über den künftigen politischen Weg Ägyptens werden später folgen. Alle islamischen Parteien zusammen verfügen über knapp Zweidrittel der Sitze. Es ist daher müßig zu glauben, die Islamisten würden nicht versuchen, dem Land ihren Stempel aufzudrücken.

Auf Facebook machte in den letzten Tagen vermehrt ein Eintrag die Runde: "Wenn eine Revolution, von jungen Liberalen angeführt und die Hunderte von ihnen das Leben kostet, damit endet, dass die Muslimbrüder ins Parlament einziehen, dann sind Sie definitiv in Ägypten!" Die Islamisten werden beschuldigt, mit den Militärs gemeinsame Sache zu machen, was nicht im Sinne der Revolution sei. Die "Revolutionshüter" haben zu massiven Protesten an ihrem Jahrestag, dem 25. Januar, aufgerufen. Eine "Woche der Trauer und des Zorns" wurde ausgerufen. Auch westliche Diplomaten rechnen damit, dass Mitglieder der ursprünglichen Protestbewegung ihre Wahlniederlage nicht kampflos hinnehmen werden. Die wenigen Parteien, die aus der Bewegung hervorgegangen sind, haben lediglich 3,4 Prozent der Stimmen erringen können. Amr Hamzawy aus dem oberen Kairoer Mittelklassebezirk Heliopolis und Mustafa al-Naggar aus Alexandria sind die einzigen Jungrevolutionäre, die Direktmandate gewinnen konnten. Der Frust ist also groß und könnte sich am Mittwoch entladen.

Während die Parlamentarier ihre ersten Wortgefechte über die Wahl ihres Vorsitzenden austragen und die Protestbewegung sich am Tahrir-Platz sammelt, zeigt das ägyptische Staatsfernsehen noch eine weitere Parallele auf. In der Polizeiakademie in Heliopolis wird der Prozess gegen Ägyptens ehemaligen Präsidenten fortgesetzt. Manchmal laufen die Bilder zeitgleich. Nachdem die Staatsanwaltschaft bereits ihre Schlussplädoyers gehalten hat, sind nun Mubaraks Verteidiger am Zuge. Der Staatsanwalt fordert die Todesstrafe, die Verteidigung Freispruch.