Gaza-Aktion

Nutzer sozialer Netzwerke hetzen gegen Juden und Israel

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Samantha Knobloch und Johannes Wiedemann

Die Militäraktion von Israels Marine gegen das Schiff der "Gaza-Solidaritätsflotte" am Montag hat international massive Kritik ausgelöst.

In den sozialen Online-Netzwerken Facebook und Twitter äußern Antisemiten aus Deutschland und anderen Ländern ihre Entrüstung über die Erstürmung der "Mavi Marmara" seit Tagen mit antisemitischen Hasskommentaren. Einige Nutzer rufen dazu auf, Juden zu ermorden.

Wegen der Hasspropaganda hat die Berliner Staatsanwaltschaft angefangen zu ermitteln. Es gebe "Hinweise auf Straftaten zum Nachteil jüdischer Mitbürger", sagte ein Justizsprecher gestern in Berlin. Die Staatsanwälte gingen dem von sich aus nach. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat außerdem vor, demnächst Anzeige zu erstatten. Die Vorsitzende Lala Süsskind sprach von "antisemitischer Hetze in ihrer übelsten Form".

Wer zurzeit auf Facebook oder Twitter nach Worten wie "Juden" oder "Israel" sucht, erhält erschreckende Einblicke in das Weltbild einer antijüdischen Minderheit, die ihrem Hass im Netz freien Lauf lässt. Diese Nutzer unterscheiden in keiner Weise zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk. Auffällig ist auch: Offensichtlich islamistisch geprägte User bekennen sich schamlos zu nationalsozialistischem Gedankengut.

So meint Facebook-User Eren K. aus Köln: "mir bleibt nichts übrig außer nazi zu sein alle juden sind wie hefe denn ich schlag sie zu brei" (sic). Ileri R. aus Wiesloch zitiert aus Hitlers "Mein Kampf" und Ilyas D. hat als Profilbild eine Hakenkreuz-Flagge. Ganz ähnlich sieht die Hetze auf der Microblogging-Seite Twitter aus: Viele User schüren dort Hass gegen Juden, stellen Hitler-Zitate online. Prof. Dr. Hajo Funke, Antisemitismus-Experte am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft in Berlin, sagt: "Diese Leute scheinen sich zum Teil tatsächlich mit neonazistischer Ideologie zu identifizieren - das ist grotesk."

Doch die sozialen Netzwerke sind im Grunde machtlos, gegen die antisemitische Hetze vorzugehen. Deren schnelle Ausbreitung lässt sich kaum kontrollieren. Auf Twitter etwa können Gleichgesinnte Hasskommentare mit einem einzigen Mausklick durch einen sogenannten "Retweet" weiterleiten - bestimmte Einträge werden so extrem oft vervielfältigt.

Auch auf Facebook ist die Hetze kaum in den Griff zu kriegen. Zwar sagte ein Facebook-Sprecher zur Berliner Morgenpost, dass man bemüht sei, alle "hasserfüllten, bedrohlichen und pornografischen" Inhalte umgehend zu löschen. Doch tatsächlich ist Facebook stark darauf angewiesen, dass die User das Netzwerk selbst moderieren und anstößige Kommentare von sich aus melden. Doch im Fall der antisemitischen Hetze ist dies offenbar nicht ausreichend geschehen.

Aaron Buck, Pressereferent der Israelitischen Kultusgemeinde München, hält es für möglich, dass die antijüdische Hetze zur Gefahr werden könnte, nämlich dann, "wenn sich die User der entsprechenden Portale gegenseitig anstacheln und sich die Diskussion unappetitlich hochschaukelt". Dies sei aber nicht nur wie nun auf Facebook und Twitter der Fall: Leider verberge sich hinter "heftiger Israel-Kritik" oft "handfester Antizionismus". "Und der Antizionismus moderner Prägung ist nichts anderes als scheinbar salonfähiger Antisemitismus", so Buck.

Auch Dr. Gregor Hopf, Professor an der Hamburg School of Business Administration und Experte für soziale Netwerke, hält die Hetze für gefährlich: "Die Werte und Ansichten von Jugendlichen und jungen Leuten bis Mitte 20, den sogenannten 'digital natives', werden zu einem großen Teil in sozialen Netzwerken geformt oder zumindest beeinflusst."

Hopf glaubt nicht, dass die sozialen Netzwerke viel gegen die Hasspropaganda ausrichten können. Wirksam könne nur "von unten" dagegen vorgegangen werden. "Politiker sind genauso gefragt wie jeder einzelne User - die Gesellschaft muss selbst aktiv in diesen Medien vertreten sein, um Leuten, die Inhalte wie Antisemitismus, Fremdenhass oder Homophobie verbreiten, nicht das Feld zu überlassen." Immerhin: Teilweise formiert sich schon Widerstand gegen die Hetze. User Patrick C. etwa fragt: "Sind bei Facebook alle gestört?"

( mit kna )