Afghanistans Lebensadern sind noch immer zerschnitten. Seit dem Sturz der Taliban wurde nicht ein einziges bedeutendes Straßenbauprojekt begonnen. Dafür fehlt das Geld - vor allem die von den Geberstaaten zugesagten Dollar-Milliarden.
Kabul - Monatelang hat die Asian Development Bank versprochen, sich eines der größten Probleme im Nachkriegs-Afghanistan anzunehmen: Die Straße zwischen Kabul und Kandahar ist durchlöchert, der Verkehr unerträglich langsam. Die Kosten für die Wiederherstellung der Hauptverbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes wurden auf 150 Millionen Dollar geschätzt - die größte Einzelinvestition in Afghanistans Infrastruktur seit dem Sturz der Taliban.
Stattdessen scheiterte das Projekt. Im Juli verlangte die Bank, dass die afghanische Regierung Kredite aufnimmt, um das Projekt zu finanzieren. Von den Versprechungen internationaler Geldgeber enttäuscht, die beim Wiederaufbau des Landes helfen wollten, nur um anschließend Bedingungen zu stellen, die die junge Regierung nicht einhalten kann, lehnte Kabul ab.
«Sie steigen aus», sagt ein leitender Berater von Präsident Hamid Karsai. «Sie entschuldigen das damit, dass wir keinen Kredit aufnehmen, aber tatsächlich ist es ein zu großes Projekt für sie.»
Das Projekt Kabul - Kandahar ist nicht das einzige Straßenbauvorhaben, das sich verzögert hat. Zu einer Zeit, in der Karsai fast jede Rede mit einem Spendenaufruf für die Straßen Afghanistans beginnt, in der es ganze Armeen von Arbeitslosen gibt, die nach genau solcher Arbeit verlangen, und in der internationale Geldgeber Dollar-Milliarden versprechen, spiegelt das Fehlen verbesserter Straßen ein größeres Problem wider: Selbst die wichtigsten der afghanischen Grundbedürfnisse bleiben unbefriedigt.
Heute scheint es so, als ob es überall in Kabul von geschäftigen UN-Büros und internationalen Hilfsgruppen mit reichlich Kapital wimmelt, die den Eindruck hinterlassen, dass der Wiederaufbau begonnen hat. Doch dieser Schein trügt. Obwohl im Januar mehrere Staaten bei einer Konferenz in Tokio für die nächsten fünf Jahre 4,5 Milliarden Dollar an Hilfsmitteln versprochen haben, ist das meiste Geld bisher nicht ausgezahlt worden. Die angekommenen Mittel wurden großteils für kurzfristige humanitäre Programme ausgegeben, um Flüchtlingen und von der Dürre geplagten Dörfern zu helfen.
Die Straßen und Brücken des Landes, die nach zwei Jahrzehnten von Krieg und Vernachlässigung fast unpassierbar sind, bleiben unberührt. «Wir befinden uns nicht in der Lage, in der näheren Zukunft irgendein Projekt anfangen zu können», sagt Salim Qayum, der das hiesige Programm der Asian Development Bank leitet.
Einst waren die den 60er-Jahren gebauten Asphaltstraßen der Stolz des Landes. Heute sind sie voller Bombenkrater und Schlaglöcher. Für Karsai dient diese Zerstörung als visuelle Erinnerung daran, wie zersplittert Afghanistan noch immer ist. «Straßen sind politisch für uns sehr wichtig», sagt denn auch einer seiner Berater. «Sie verbinden das gesamte Land miteinander. Noch wichtiger ist es, dass sie uns in die Region und die Welt integrieren.»
Gleichzeitig ist Karsais Unfähigkeit, hier Fortschritte zu erzielen, zu einem weiteren Symbol für die Machtlosigkeit des Präsidenten geworden. Nach Monaten der Versprechungen durch westliche Führer, die Karsai unterstützen, hat der afghanische Präsident in den letzten Wochen zunehmend eindringliche Forderungen gestellt. «Es sind mehr oder weniger sechs Monate vergangen, in denen wir nicht viel erreicht haben», sagt der Berater Karsais. «Jetzt müssen wir uns beweisen.» Das US-Hilfsprogramm zeigt, womit es Karsai aufgenommen hat. US-Vertreter sagen, dass sie bereits ihre ersten 280 Millionen Dollar ausgegeben haben für ein Programm, bei dem kein großes Straßenbauprojekt vorgesehen war. Ein Gesetzentwurf über eine zusätzliche Milliarde Dollar durchläuft gerade den Kongress, aber auch der beinhaltet keine bedeutenden Mittel für den Straßenbau. Währenddessen konzentriert sich das US-Hilfsprogramm auf große Spenden etwa an das Welternährungsprogramm.
Die EU will zwischen 60 und 80 Millionen Dollar für die Straße von Kabul nach Dschalalabad bereitstellen. Aber bisher weiß niemand, wer die Arbeiten verrichten wird oder wann sie beginnen.