Jerusalem/Ramallah - Nach der jüngsten Welle von Terroranschlägen hat die israelische Armee den seit fast zwei Jahren bestehenden Belagerungsring um die palästinensischen Städte im Westjordanland noch enger gezogen. Palästinenser dürfen die seit Wochen besetzten Autonomiestädte Ramallah, Tulkarem, Dschenin, Nablus und Kalkilia künftig nur noch aus humanitären Gründen verlassen. Zudem ist ihnen dort jeglicher Autoverkehr verboten. Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser sprach gestern von «einer totalen Blockade». Auch die Stadt Rafah im südlichen Gaza-Streifen wurde vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Israelische Kampfhubschrauber haben gestern Abend Raketen auf eine Metall verarbeitende Werkstatt in Gaza abgefeuert, die eine Waffenfabrik sein soll. Mindestens vier Menschen wurden verletzt.
Zugleich beschloss die israelische Regierung, humanitären Organisationen künftig größere Bewegungsfreiheit einzuräumen. Weiterhin sollen 12 000 der ehemals 120 000 Palästinenser eine Arbeitserlaubnis für Israel erhalten. Ben-Elieser kündigte an, dass Israel nach der blutigen Anschlagsserie auf Vergeltungsmaßnahmen verzichten werde. Bei fünf Anschlägen innerhalb von 24 Stunden waren in Israel und im Westjordanland am Sonntag mindestens 14 Israelis und zwei Palästinenser getötet worden. Ben-Elieser sprach jedoch von weiteren «Überraschungen im Kampf gegen den Terrorismus». Israel prüfe derzeit «alle möglichen Maßnahmen, die für eine Senkung des Gewaltniveaus geeignet sind». Eine mögliche Ausweisung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat ins Ausland lehnte er erneut ab. Nur wenige Stunden nach dem blutigen Selbstmordanschlag auf einen Linienbus in Nordisrael am Sonntag hat die israelische Armee einen Palästinenser gefasst, der für die Tat verantwortlich sein soll: Der Hamas-Chef der Region Dschenin, Masan Fucha, wurde in Tubas im Westjordanland zusammen mit sechs Komplizen festgenommen. Fucha soll den Selbstmordattentäter ausgebildet und ausgerüstet haben. In Burka bei Nablus erschossen israelische Soldaten zwei Palästinenser, die an jüngsten Gewalttaten gegen Israelis beteiligt gewesen sein sollen. Im Norden Israels ist gestern eine Autobombe palästinensischer Attentäter vorzeitig explodiert: Ein Extremist kam ums Leben, der Fahrer des Autos wurde verletzt, wie Polizei und Rettungsdienst mitteilten. Beide seien auf dem Weg zu einem Anschlag gewesen.
Der Nahost-Konflikt stand auch auf der Tagesordnung einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung, die am Abend (MESZ) in New York begann. In der Versammlung ist es zu einem Streit zwischen Israel und den Palästinensern über den Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen zu den blutigen Kämpfen im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin gekommen. Der palästinensische Vertreter Nasser el Kidwa sagte, der Bericht bestätige, dass Israel während der Militäraktion «Kriegsverbrechen» begangen habe. Der israelische Sprecher wies die palästinensischen Vorwürfe über Massaker als «reine Gräuelpropaganda» zurück. Tatsächlich werden in dem kürzlich vorgelegten Bericht die palästinensischen Angaben über ein Massaker in dem Lager zurückgewiesen.