Potsdam - Ganz so hat sich Matthias Platzeck seine ersten Amtswochen als Ministerpräsident des Landes Brandenburg nicht vorgestellt. Kaum einen Monat im Amt, schon der erste Minister von der Fahne. Heute wird der SPD-Politiker dem bisherigen Justiz- und Europaminister Kurt Schelter (CDU) die Entlassungsurkunde überreichen. Der ist zurückgetreten, drei Tage nachdem seine private Verstrickung in dubiose Immobiliengeschäfte ruchbar geworden ist. Und einen Tag nachdem bekannt wurde, dass im Mai Handwerker versucht hatten, über Lohnpfändung offene Rechnungen aus Schelters Immobilienbesitz begleichen zu lassen. Pfändung beim Justizminister - ein Satz, den die CDU in Wahlkampfzeiten ungern in der Zeitung sieht, selbst wenn es nach Schelters Aussage letztendlich nicht dazu kam.
Im Amt hat sich Schelter nichts zuschulden kommen lassen. Auch der Koalitionspartner SPD attestiert dem als Law-and-Order-Mann geltenden Bayern, seinen Posten erfolgreich ausgefüllt zu haben. Ministerpräsident Platzeck sagte, er habe hohen Respekt vor der Entscheidung Schelters. Der habe viel für die brandenburgische Justiz und die Bedeutung des Landes bei der EU geleistet. Einen angeschlagenen Minister konnten sich aber weder CDU-Landesparteichef Jörg Schönbohm noch Platzeck leisten. Zumal Schelter vorgeworfen wurde, beide viel zu spät und viel zu unvollständig über das drohende Ungemach unterrichtet zu haben. Nach Gesprächen zwischen Schönbohm und Schelter sei klar gewesen, dass der Rücktritt «für alle das Beste» ist. Kommissarisch wird nun Innenminister Schönbohm die Amtsgeschäfte übernehmen - bis die designierte Nachfolgerin Schelters, die Landtagsabgeordnete Barbara Richstein, vereidigt ist. Sie wird von Schönbohm vorgeschlagen, wenn der CDU-Landesvorstand zustimmt. Beide Koalitionsfraktionen haben signalisiert, sie wählen zu wollen. Das soll wohl in einer Sondersitzung während der Sommerpause geschehen.
Die Affäre begann am Sonnabend: Gespickt mit Details zu seinen Vermögensverhältnissen berichtete das Hamburger Magazin «Der Spiegel», dass Schelter 1996 bis 1998 auf teilweise zweifelhafte Weise 61 Wohnungen in Berlin gekauft habe. Zwei seiner ehemaligen Geschäftspartner sind wegen Betrugs verurteilt. Von ihnen sollen auf dubiose Weise 340 000 Mark an Schelter geflossen sein. Er bestreitet dies. Die Staatsanwaltschaft München führte aber ein Steuerverfahren gegen den damaligen Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Das wurde gegen Geldbuße eingestellt. Der aus Oberfranken stammende Schelter ist aber offenbar mit den Wohnungen in Finanznöte gekommen. Teilweise sind sie nicht vermietet. Teilweise stockt die Renovierung. Daher die Pfändungsversuche. Ein Minister in Geldnot könne nicht unabhängig sein, wurde ihm vorgeworfen.
Der Jurist, Jahrgang 1946, begann seine politische Karriere 1974 als Regierungsrat in Bayern. Schelter gilt als «Entdeckung» des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Franz-Josef Strauß, der ihn 1988 zum Protokollchef seiner Staatsregierung machte. 1993 wurde er unter Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) Staatssekretär. Seit Oktober 1999 war Schelter Justiz- und Europaminister in Brandenburg. Seine Nachfolgerin Richstein ist ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Die 1965 im baden-württembergischen Sindelfingen geborene Juristin war von 1995 bis 1997 Vorstandsreferentin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Seit 1997 praktiziert sie als Anwältin. Im Landtag sitzt Frau Richstein seit 1999. Sie ist Vorsitzende des Rechtsausschusses.