Washington - Das Federal Bureau of Investigation (FBI), die US-Bundespolizei, begegnet wachsender Kritik an ihrem Versagen vor dem 11. September mit der radikalen Umstrukturierung von einer Strafverfolgungsbehörde zum Inlands-Geheimdienst mit dem Schwerpunkt präventiver Terroristenbekämpfung. Nach den Plänen, die FBI-Direktor Robert Mueller gemeinsam mit Justizminister John Ashcroft vorstellte, sollen zusätzlich 480 Agenten - und damit fast ein Viertel der 11 500 FBI-Beamten, die mit bundesweiten Fahndungen nach Banküberfällen, Entführungen, Drogenkriminellen befasst sind - , Aufgaben der Inlandsaufklärung übernehmen.
In den vergangenen Wochen war eine Serie von Pannen innerhalb des FBI und in der Abstimmung mit der CIA, dem US-Auslandsgeheimdienst, vom Sommer 2001 bekannt geworden. So war das Dossier eines Agenten in Phoenix (Arizona), das eine Überprüfung von arabischen Studenten in US-Flugschulen verlangte und den Verdacht minutiös begründet hatte, von der Zentrale in Washington ignoriert und folglich auch nicht an das Weiße Haus und den Nationalen Sicherheitsrat übermittelt worden. Das inzwischen als «Phoenix Memo» notorische Dokument wird in künftigen Untersuchungs-Kommissionen - noch ist umstritten, ob sie unabhängig oder aus dem Parlament gebildet sein sollen - eine Rolle spielen.
Nur Tage später warf eine FBI-Justiziarin in Minneapolis in einem 13-seitigen Brief an Mueller der Zentrale vor, einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung und den Computer des später als «20. Attentäter» verdächtigten Zacarias Mousaoui verweigert zu haben. In dem Brief, datiert am 21.Mai 2002, schreibt die Anwältin Coleen Rowley, die FBI-Zentrale habe allem Drängen widerstanden und beinahe mutwillig die Durchsuchung verhinderte. Rowley wagte es auch als erste, den FBI-Direktor wegen angeblich irreführender öffentlicher Äußerungen zu kritisieren.
Mueller, der erst am 4. September 2001 sein Amt antrat, hatte mehrfach erklärt, dass es unmöglich gewesen sei - und selbst bei reibungsloser Arbeit des FBI unmöglich gewesen wäre - , Terroranschläge mit Passagierjets auch nur in Betracht zu ziehen. Anwältin Rowley nannte Muellers Einlassungen «voreilig, um das FBI um jeden Preis zu schützen».
Nach Muellers Plänen, die allerdings innerhalb des FBI nicht nur Anhänger haben, sollen die Zentrale gestärkt und gewisse Kompetenzen an die Polizei der Bundesstaaten abgegeben werden. Zusätzlich sollen in den nächsten Monaten 900 Computerfachleute, Sprachwissenschaftler und Ingenieure für die Terrorbekämpfung angestellt werden. Das jüngste Beispiel für die mangelhafte Analysefähigkeit von FBI und CIA (oft wegen fehlender Sprachkenntnisse) wird soeben aus Italien gemeldet. Dort veröffentlichen Zeitungen Transkripte von Telefonaten, in denen mutmaßliche Terroristen sich mit einem «unvergesslichen Anschlag» und ihrem Training als Piloten brüsten. Die Vermutung, dass das FBI in die Untersuchung der Italiener eingeweiht war, ist bislang unwidersprochen.
Unterdessen bemühen sich republikanische Politiker im Kongress, jeden Zusammenhang zwischen der Umstrukturierung des FBI und dem wachsenden Unmut über die Behörde zu bestreiten. Allerdings gehört der republikanische Senator aus Iowa, Charles E. Grassley, zugleich seit langem zu den führenden Kritikern der Bundespolizei. Grassley äußerte sich skeptisch, ob Muellers Reform das Ziel erreichen könne, das FBI zu verändern: «von einem Amt, dass Bonnie und Clyde verfolgt zu einer Behörde, die sich auf Osama Bin Laden und seinesgleichen konzentriert». Es sei vielmehr die reagierende, nicht strafvereitelnde «Kultur» des FBI, die sich jeder Veränderung widersetze.