FDP will Möllemann in die Schranken weisen

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Stephan Haselberger und Helmut Breuer

Berlin - Auf einer Sondersitzung des Bundesvorstandes will die FDP morgen den Eindruck korrigieren, sie sei auf dem Weg zu einer rechtspopulistischen Partei. Zugleich soll ein Schlussstrich unter die Antisemitismusdebatte gezogen und der Streit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland entschärft werden. Die Krisensitzung wurde von FDP-Chef Guido Westerwelle während dessen Nahost-Reise einberufen. Vorstandsmitglieder rechnen damit, dass der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen W. Möllemann bei dem Treffen in die Schranken gewiesen wird. Rücktrittsforderungen werden jedoch nicht erwartet.

Weite Teile der FDP-Führung halten Möllemann im Wahlkampf nach wie vor für unverzichtbar. Westerwelle selbst hatte die direkte Konfrontation mit seinem Vize, der im größten FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen über eine gesicherte Machtposition verfügt, bisher vermieden. Stattdessen hatte eine Reihe führender FDP-Politiker, darunter auch der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher, den Druck auf Möllemann erhöht.

Der FDP-Vize äußerte daraufhin im Westdeutschen Rundfunk erstmals Bedauern über seine Attacken gegen den stellvertretenden Zentralratspräsidenten Michel Friedmann: «Ich hätte das nicht so sagen sollen, sondern das Ganze besser bedenken müssen.» Zuvor hatte er Friedmann wiederholt vorgeworfen, dieser sei «mit seiner intoleranten und gehässigen Art» selbst für ein Erstarken des Antisemitismus verantwortlich. In einem offenen Brief an den Präsidenten des Zentralrats, Paul Spiegel, wiederholte Möllemann gestern seine Erklärung. Es sei ein «Fehler» gewesen, «Herrn Friedman für die Entstehung von antisemitischen Ressentiments mitverantwortlich zu machen». Ebenso liege ihm aber an der Feststellung, dass «ich mich weiterhin mit allem Nachdruck dagegen wehren werde, wegen meiner unverändert Scharon-kritischen Haltung als Antisemit bezeichnet zu werden. Herr Friedman sollte diesen Vorwurf jetzt aus der Welt schaffen.» Dem von Parteichef Guido Westerwelle vorgeschlagenen Gespräch zwischen dem Zentralrat der Juden und dem FDP-Präsidium sehe er «mit großem Interesse entgegen». Der Berliner Morgenpost sagte Möllemann, er habe sich nun bewegt und erwarte, dass sich jetzt «auch andere bewegen».

Dem Zentralrat geht Möllemanns Einlassung indes nicht weit genug. «Wir erwarten eine schriftliche Entschuldigung», sagte Zentralratspräsident Paul Spiegel der Berliner Morgenpost. Ohne eine solche Entschuldigung werde es kein Treffen mit der FDP-Spitze geben. Aus dem Zentralrat hieß es weiter, Möllemanns Brief stelle «keine Entschuldigung dar, sondern eine Rechtfertigung seiner Ausbrüche».

Auch in der FDP wurde Möllemanns Erklärung als unzureichend kritisiert. «Ich halte das für völlig unbefriedigend», sagte die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher. Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte Möllemann auf, sich «unmissverständlich» von seinen Äußerungen zu distanzieren. «Er muss deutlich machen, dass er sich künftig nie mehr in der Form äußern wird, weil das falsch und zutiefst verletzend ist», sagte sie.

Trotz des Antisemitismus-Streits bleiben die Freidemokraten für die Union ein möglicher Koalitionspartner. «Unsere Zusammenarbeit hängt beileibe nicht allein von Möllemann ab», sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU). Die Äußerungen Möllemanns seien zwar überflüssig gewesen, so Merz, «aber ich rate zu viel mehr Gelassenheit und weniger Aufregung». Die Jungsozialisten erwarten vom SPD-Sonderparteitag am Sonntag in Berlin eine Mehrheit für eine Koalitionsabsage an die FDP. Grünen-Chefin Claudia Roth begrüßte die Initiative der Jusos. Sie sei sehr über die kritischen Reaktionen.