ddp Berlin - Im Nitrofen-Skandal droht Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) den Verursachern mit harten Strafen. Die Ministerin forderte gestern, es müsse «mit aller Härte» gehandelt werden. Zugleich trat Künast Kritik entgegen, die Agrarwende sei gescheitert. «Der Kampf gegen die alten Strukturen» habe erst begonnen, unterstrich sie. Rückendeckung erhielt Künast von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Grünen-Chef Fritz Kuhn. Unterdessen wurde bekannt, dass mit Nitrofen durchmischter Öko-Weizen auch an Milchkühe und Schweine ging.
Künast veranlasste nach Angaben einer Sprecherin die Forschungsanstalten, eine Verpflichtung zur Information der Behörden durchzusetzen. Zugleich warb die Ministerin für ihr geplantes Öko-Landbaugesetz. Dadurch würden auch die Kontrollen von Bio-Betrieben gestärkt. Das Gesetz ist am Freitag Thema im Bundesrat. Bei einer Sondersitzung des Bundestags-Agrarausschusses morgen will Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) den Abgeordneten über die monatelang vertuschten Nitrofen-Funde berichten. Am selben Tag will Künast mit ihren Kollegen aus den betroffenen Ländern über Konsequenzen beraten.
NRW-Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Grüne) forderte, per Lebensmittelrecht die Labore zu verpflichten, die Ergebnisse an staatliche Stellen zu melden. Bislang gibt es nur im Futtermittelrecht eine Meldepflicht. Höhn regte zugleich verstärkte Stichproben bei den Lebensmittelherstellern an.
Unklar ist nach wie vor, wie das krebserregende Nitrofen in den Bio-Weizen kam. Im Verdacht steht der Futtermittelhersteller GS Agri, der nach Angaben des niedersächsischen Agrarministeriums zwischen November 2001 und Mai 2002 insgesamt 31 Mal bei Eigenkontrollen das Herbizid nachgewiesen bekam, dies aber keiner staatlichen Stelle meldete. GS Agri wies die Vorwürfe zurück. Man habe zu keinem Zeitpunkt belastetes Tierfutter wissentlich an Abnehmer geliefert. Nach einem ersten Nachweis im März 2002 seien rückwirkend sämtliche Proben untersucht worden. Dabei sei in Öko-Weizen vom November 2001 ein überhöhter Wert festgestellt worden.
Hanns-Dieter Rosinke, Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums, bewertete die Darstellung als «nicht sonderlich glaubwürdig». Die Buchführung des Betriebs sei lückenhaft, mehrere Getreidelieferungen ließen sich nicht rückverfolgen. Unter den 93 niedersächsischen Bio-Produzenten, die das Futter kauften, befinden sich Rosinke zufolge auch ein Milchkühe- sowie mehrere Schweinebetriebe.
Der Kaufhauskonzern Karstadt stoppte unterdessen den Verkauf von Eiern und Geflügel aus Bio-Produktion. Zuvor hatten die Metro AG sowie Edeka Bio-Geflügelprodukte aus den Regalen genommen.
Aus der Opposition kam Kritik an Künast. Der Vorsitzende des Agrarausschusses, Peter-Harry Carstensen (CDU), sagte, von der Agrarwende sei nichts zu spüren. FDP-Agrarexperte Jürgen Koppelin sprach von «Schlampereien» und beantragte für den 5. Juni eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Kanzler Schröder steht dagegen laut Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye «in Gänze» hinter seiner Ministerin. Grünen-Chef Kuhn betonte, der Vorgang spreche für den Ausbau des Ökolandbaus, jetzt dürfe nicht «der Stab über Bio« gebrochen werden.