EU-Verhandlungen mit Ankara 2005?

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Die Europäische Union soll nach deutsch-französischen Vorstellungen bereits zum 1. Juli 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnehmen. Diese Position soll als Diskussionsgrundlage für den anstehenden EU-Gipfel in Kopenhagen dienen.

Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac haben sich auf einen konkreten Fahrplan mit Terminen für den EU-Beitritt der Türkei geeinigt. Bei ihrem Treffen im brandenburgischen Storkow am Mittwochabend hatten beide verabredet, dass es beim EU-Gipfel in der kommenden Woche in Kopenhagen ein solch deutliches Signal für die Türkei geben werde.

Außenminister Joschka Fischer hat bereits den EU-Beauftragen für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, über den deutsch-französischen Plan unterrichtet, der in Kopenhagen von den 15 EU-Staaten beschlossen werden soll. Das bestätigte ein Mitarbeiter Solanas der Berliner Morgenpost.

Danach soll die EU-Kommission in der zweiten Jahreshälfte 2004 einen gesonderten Prüfbericht erstellen. Darin soll festgestellt werden, ob die Türkei die Kriterien zur Aufnahme von Verhandlungen mit der EU erfüllt. Diese so genannten Kopenhagener Kriterien fordern von möglichen Beitrittsstaaten eine funktionierende Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und eine funktionierende Marktwirtschaft. Die Kriterien unterlagen in der Vergangenheit stets auch der politischen Auslegung im Einzelfall. Sollte die EU-Kommission im Sonderbericht zu dem Schluss kommen, dass die Türkei die Kriterien erfüllt, könnten auf einstimmigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs am 1. Juli 2005 die Beitrittsverhandlungen mit Ankara beginnen. Die türkische Regierung forderte indes erneut, ihr bereits in Kopenhagen ein Datum für Verhandlungen zu nennen.

Wann die Türkei dann der EU beitreten wird, ist nach derzeitigen Planungen vollkommen offen. EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass die Kosten eines EU-Beitritts der Türkei in der nächsten Finanzplanung der EU bis zum Jahr 2013 noch nicht berücksichtigt würden. Demnach rechnet die Kommission mit einer Mitgliedschaft der Türkei frühestens im Jahr 2014.

Schon jetzt gibt es in der EU die Befürchtung, dass die Türkei den gesamten EU-Haushalt explodieren lassen könnte. Berechnungen, die sich auf die Ansprüche des bisher ärmsten EU-Landes Griechenland stützen, kommen zu dem Schluss, dass Ankara jährlich über 38 Milliarden Euro aus der Brüsseler Kasse erhalten würde. Das ist deutlich mehr als für die zehn neuen Mitglieder, die zum Mai 2004 der EU beitreten sollen.

Ob der neue gemeinsame deutsch-französische Vorstoß die Zustimmung der übrigen EU-Länder findet, ist noch offen. Bislang hat sich vor allem Österreich gegen jede Art von Datum für die Türkei gewandt. Das unterstrich gestern erneut ein Sprecher der österreichischen Vertretung bei der EU-Kommission in Brüssel.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte im Gespräch mit der Berliner Morgenpost den Vorstoß der Bundesregierung als «schweren Fehler». Man dürfe das Verhältnis der EU zur Türkei im Übrigen nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Vollmitgliedschaft diskutieren. Vordringlich müsse mit Ankara über zusätzliche Möglichkeiten gesprochen werden, etwa über den Vorschlag von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen, ein besonderes Nachbarschaftsverhältnis zur Türkei zu begründen. Die Türkei habe zwar wichtige Fortschritte gemacht, aber noch keineswegs die Bedingungen für einen Beitrittskandidaten erfüllt, so Schäuble. Stattdessen plädierte der Unions-Außenexperte für eine «privilegierte Partnerschaft», die der Türkei in Kopenhagen angeboten werden solle. Schäuble: «Die Kommission soll dazu Details ausarbeiten und Ankara Wege aufzeigen, wie eine wirklich enge Partnerschaft mit der EU möglich wird.» nik./A.G.