«Schröders Kurs hat uns nicht geholfen»

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Petra Stuiber

Wien - Michael Häupl, Vizechef der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), ist Bürgermeister und Landeshauptmann (Ministerpräsident) von Wien und einer der Verhandlungsführer bei den Sondierungen mit der Volkspartei (ÖVP) von Kanzler Wolfgang Schüssel zur Regierungsbildung.

Herr Häupl, wie haben Sie die erste Sondierungsrunde erlebt?

Michael Häupl: Zunächst ist diesem Gespräch eine Unterredung zwischen den beiden Parteivorsitzenden vorausgegangen. Da hat SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer etwas verlangt, was in der Wirtschaft üblich ist, wenn man plant, eine strategische Partnerschaft einzugehen - nämlich einen Kassensturz über die finanzielle Lage der Republik, nicht nur das Budget 2002, sondern auch die Prognosen und Aussichten für 2003. Bei der ersten Verhandlungsrunde hat nun die ÖVP ein einzelnes Blatt mit offensichtlichen Textbausteinen aus der ÖVP-Wahlkampfpropaganda vorgelegt. Alle Zahlen waren aus den Medien und den ÖVP-Broschüren hinlänglich bekannt. Die ÖVP will offenbar keine ernsthaften Gespräche mit uns führen. Wolfgang Schüssel ging es nur darum, sich alle Optionen offen zu halten bis zum FPÖ-Parteitag am 8. Dezember. Offenbar gibt es da schon konkrete Absprachen über eine Fortsetzung von Schwarz-Blau.

Sie galten schon zu Zeiten der ersten schwarz-blauen Koalition als Fürsprecher für eine SPÖ-ÖVP-Koalition.

Ich stehe Koalitionsvarianten extrem nüchtern gegenüber. Ich sage heute das, was ich immer schon gesagt habe: Es gibt einerseits das staatliche Interesse, dass Österreich stabil regiert wird. Andererseits hat aber niemand etwas davon, wenn die SPÖ dafür ihre Grundsätze aufgibt und Wahlversprechen bricht - etwa, wenn die sozialen Belastungen der bisherigen Regierung nicht zurückgenommen werden - , um dann bei der nächsten Wahl marginalisiert zu werden. Es geht um eine Glaubwürdigkeitsgrenze der SPÖ. Das Schlechteste wäre, wenn wir unsere Schutzfunktion für die kleinen Leute, die wir wiedergewonnen haben, aufgeben würden. Das wäre im Übrigen auch ein sicherer Garant, dass die FPÖ wieder erstarkt. Wir werden uns hier sicherlich nicht unter Druck setzen lassen - wer es nicht ernst meint, soll nicht mit uns rechnen.

Sie haben die so genannten kleinen Leute erwähnt, die die SPÖ angeblich zurückerobert hat. Was bringt Sie zu dieser Annahme? Die meisten Wähler, die vordem FPÖ wählten, sind doch nun in Scharen zur ÖVP übergelaufen.

Es ist ein bisschen komplizierter. Der ÖVP ist es gelungen, jene Wähler zurückzubekommen, die vor Jahren zur FPÖ abgewandert sind - und zwar in einem erheblich höheren Ausmaß als die SPÖ. Das gilt auch für Wien, wo wir zwar erheblich besser abschnitten als in den Bundesländern, aber nicht bis zum Letzten mobilisieren konnten. Hier ist es uns zwar gelungen, die FPÖ-Enttäuschten im selben Ausmaß zurückzuerobern wie die ÖVP, aber das beruhigt mich keineswegs.

Warum ist das der SPÖ nicht gelungen?

Ich denke, dass die ÖVP die Angst vor Rot-Grün wirksam geschürt hat. Das hat eine große Rolle gespielt. Zwar nicht in Wien, da haben SPÖ und Grüne gemeinsam so viel gewonnen wie die ÖVP. Aber überall anders war das eine wesentliche Geschichte.

Haben die schlechte Stimmung in Deutschland und Schröders Sparkurs per se der SPÖ geschadet?

So würde ich das nicht formulieren. Denn im Regelfall ist das Wahrnehmungsvermögen ausländischer Politik in Österreich sehr beschränkt. Was wirkte, waren die ganz gezielten Informationen und Desinformationen von Seiten der ÖVP - geschickt über die Medien lanciert, das gebe ich schon zu. Obgleich ich nicht verhehle, dass ich Schröders Kurs persönlich nicht für richtig halte. Denn man kann einer Wirtschaftsrezession nicht mit einem rigorosen Sparkurs begegnen, sondern nur, indem man Investitionen stimuliert, ein wirtschaftsfreundliches Klima erzeugt.

Soll das heißen, eine rot-grüne Regierung in Österreich hätte anders agiert?

Davon können Sie ausgehen. Eine allfällige rot-grüne Regierung hätte die Wirtschaft motiviert, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen, sowie innovative Technologien und Bildung gefördert. Wir hätten sicherlich keinen Belastungen zugestimmt. Erinnern Sie sich an den Wahlkampf, da gab es einen Konflikt zwischen der SPÖ und den Grünen, bei dem es um die Ökosteuern ging. Wir sagten damals, ohne volle Kompensation würden wir der Einführung von Ökosteuern nicht zustimmen - denn Steuererhöhungen sind mit der SPÖ nicht zu machen.