Abschied von dem «toten Löwen»

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Hamburg - «Ein deutsches Requiem» von Johannes Brahms erklang in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis für rund 2500 Trauergäste, um einen großen Publizisten zu würdigen. «Wir sind hier zusammengekommen, um Abschied zu nehmen von Rudolf Augstein», sagte Hauptpastor Helge Adolphsen.

Und gekommen waren sie alle in den «Michel», an diesem hanseatisch trüben Novembermorgen: Die hochrangigsten Vertreter des Staates, Verleger, Chefredakteure, Künstler, Weggefährten und selbstverständlich die Familienangehörigen und Mitarbeiter des Herausgebers des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel». Augstein war am 7. November im Alter von 79 Jahren gestorben. «Die Menschen in Deutschland spüren deutlich, was Augstein für unser Gemeinwesen getan hat. Er zwang immer alle, sich mit ihm auseinander zu setzen, dabei waren ihm nur wenige gewachsen», predigte Adolphsen. «Er lehrte uns Kirchenleute wahrlich Furcht und Zittern.»

Mit seinen Worten nahm Hauptpastor Adolphsen auch Bezug auf Kritik, der «Freigeist» Augstein werde von der Kirche für eine Trauerfeier vereinnahmt. Er zitierte Augstein, der von sich selbst sagte: «Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube nicht an die Auferstehung irgendeines Toten, und dann muss ich mich auch damit gar nicht weiter beschäftigen.» Adolphsen war sich aber sicher, dass «Gott sich mit ihm beschäftigt - wie, das ist Gottes Sache». Zu ihrer ganz persönlichen Sache machte Augsteins Tochter Franziska, selbst Journalistin bei der «Süddeutschen Zeitung», den Abschied von ihrem Vater. Unvorhergesehen im Ablauf der Trauerfeier ergriff sie nach dem Publizisten Joachim C. Fest das Wort. Das sei sie dem «toten Löwen», ihrem Vater, schuldig gewesen.

Sie bedankte sich beim «Spiegel» für die Augstein gewidmete Ausgabe vom 11. November - «eine Glanznummer». Allerdings stimmte ein kleines Detail nicht, verdrehte das Nachrichtenmagazin doch die beiden Vornamen: Karl Rudolf, korrigierte Franziska die Reihenfolge. «Das hätte mein Vater auch erwähnt», war sie sich sicher. Denn: «Ordnung möcht' schon sein», wiederholte sie Augsteins Motto.

Dass mit dem Tod des «Spiegel»-Herausgebers eine Ära zu Ende ging, hob Bundespräsident Johannes Rau hervor: «Mit Augstein verabschieden wir den letzten Gründungsvater des freien Journalismus in der Bundesrepublik.» Der Zyniker, Suchende, brillante und unbestechliche Analytiker habe «unserem Land» gut getan, sagte Rau. Er erinnerte auch an Augsteins Interview-Worte: «Wenn ich weg bin, bin ich weg.»

Mit sorgenvoller Miene saß Bundeskanzler Gerhard Schröder im «Michel». Der SPD-Politiker, der immer wieder Rat auch bei Rudolf Augstein suchte, kann sich nun nur noch an manch wertvollen Tipp des Journalisten erinnern, der ihm beim Regieren nützlich sein könnte. dpa