Berlin - Die österreichische Innenpolitik ist normalerweise nicht Thema auf Pressekonferenzen der FDP. Doch an diesem Vormittag spricht Parteichef Guido Westerwelle auffallend lange über Jörg Haider. Dieser habe sich «selbst erledigt», da er voller «Eitelkeit und Narzissmus» versucht habe, «die Partei der eigenen Person unterzuordnen», sagt Westerwelle über den früheren FPÖ-Vorsitzenden. Und jedem ist klar, dass der FDP-Chef bei diesen Worten wohl auch das Schicksal seines früheren Stellvertreters Jürgen Möllemann vor Augen haben dürfte.
Soeben hat das Präsidium auf Antrag Westerwelles beschlossen, Möllemann ultimativ zum Austritt aus der FDP aufzufordern. Andernfalls werde der Bundesvorstand am 2. Dezember ein Parteiausschlussverfahren einleiten, droht Westerwelle. Die Begründung für diesen drastischen Schritt liefert er gleich mit: «Herr Möllemann wollte aus der FDP eine rechtspopulistische Partei machen.»
Als Beleg wird in der FDP-Führung ein Amateurvideo angeführt, das Möllemann am 6. September bei seinem Auftritt in Neuss vor einem deutsch-arabischen Verein zeigt: Dort kündigt der damalige nordrhein-westfälische Landeschef in aller Ausführlichkeit die geplante Flugblatt-Aktion an. «Ich ahne schon, was da kommen wird», hört man Möllemann sagen. Keinesfalls dürfe der Eindruck entstehen, die FDP habe das Thema abgehakt. «Äh, Äh. Nicht abgehakt. Darüber sollen die Menschen abstimmen - und das können Sie jetzt!»
In der FDP-Zentrale wertet man dieses Video, auf das Fraktionschef Wolfgang Gerhardt aufmerksam gemacht worden war, als eindeutigen Beleg dafür, dass Möllemann entgegen allen Parteitagsbeschlüssen mit rechtspopulistischen Thesen Wahlkampf machen wollte. «Wir fischen nicht in trüben Gewässern», stellt FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper klar.
Auch das Parteiausschlussverfahren gegen Möllemann ist in der FDP nicht unumstritten. Denn jeder weiß: Der Vorwurf des Rechtspopulismus allein wird nicht reichen, um den Ex-Vize aus der Partei zu verbannen. Noch entscheidender wird sein, ob man nachweisen kann, dass Möllemann der FDP auch finanziell geschadet hat. Durch dessen widersprüchliche Versionen über die Spendenvorgänge in Nordrhein-Westfalen sei der FDP bereits ein «erheblicher materieller Schaden» entstanden, heißt es in dem Beschluss. Bislang haben die Liberalen 873 000 Euro an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) abgeführt. Dass Möllemann für weitere Schäden verantwortlich ist, wird wohl das Ergebnis des Abschlussberichts der Wirtschaftsprüfer sein, den FDP-Schatzmeister Günter Rexrodt heute an Thierse übergeben wird. Die Wirtschaftsprüfer sind auf illegale Spenden in Höhe von rund 600 000 Euro aus den Jahren 1999 und 2000 gestoßen. Außerdem sind wichtige Unterlagen zur Finanzierung des Landtagswahlkampfs sowie eine Akte zur Arbeit und Finanzierung der so genannten Parlamentarischen Arbeitsgruppe verschwunden.
In einem Interview der Illustrierten «Stern» sagte Möllemann: «Dass man mir in der liberalen Rechtsstaatspartei FDP den politischen Prozess machen könnte, ohne mich auch nur anzuhören, hätte ich mir nicht träumen lassen.» In einer Stellungnahme seiner Rechtsanwälte an die Parteiführung erklärte Möllemann, dass die fast eine Million Euro für Druck und Vertrieb des Flugblattes «aus seinem privaten Vermögen» stammten.
Er habe Ex-Landesgeschäftsführer Hans-Joachim Kuhl zur Finanzierung der Aktion einen Koffer mit einer Million Euro in 500-Euro-Scheinen übergeben. Das berichtet die «Berliner Zeitung» unter Berufung auf die Stellungnahme. Dem Bericht zufolge will Möllemann beizeiten Vorkehrungen dafür getroffen haben, die Kosten der Aktion komplett aus seinen privaten Einkünften zu begleichen. Ihm sei bereits im Frühjahr klar gewesen, dass eine Ablösung der rot-grünen Regierung realistisch nur durch einen in NRW zu führenden Sonderwahlkampf angestrebt werden könne.