Frankreichs Fernfahrer errichten Barrikaden

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Paris - Aufgebrachte Brummifahrer, die zum Teil trotz 50-Stunden-Woche gerade das Existenzminimum verdienen, stehen auf der einen Seite, kompromisslose Hundertschaften der Polizei auf der anderen. Aus Sicht der Lkw-Fahrer werden die Sicherheitskräfte von der Regierung missbraucht, um die Blockaden zu brechen. Aus Sicht der Regierung - und vieler Autofahrer - haben die Berufsfahrer nicht das mindeste Recht, für ihre Gehaltsforderungen die Öffentlichkeit als Geisel zu nehmen. Die Gewerkschaften hatten Premierminister Jean-Pierre Raffarin einen «heißen Herbst» versprochen. Gestern, als landesweit mehr als 30 Barrikaden errichtet wurden, hat die Kraftprobe begonnen.

«Wir müssen die Blockade abbrechen, denn sie wollen uns den Führerschein wegnehmen», sagt ein Streikender, der sich nach wenigen Stunden aus dem Staub macht. Innenminister Nicolas Sarkozy hat den Gewerkschaften schon am Wochenende einen Paragrafen aus dem Straßenverkehrsrecht unter die Nase gehalten, in dem jede gezielte Behinderung des öffentlichen Verkehrs mit Gefängnis, Geldstrafe und dreijährigem Führerscheinentzug bedroht ist. Zwar müssen in jedem Fall erst die Gerichte entscheiden, ob diese Sanktion für Berufsfahrer angemessen ist. Aber unter den Streikenden ist Verunsicherung zu spüren.

An einer Sperre bei Lyon wurden acht streikende Kraftfahrer nach Gewerkschaftsangaben vorerst festgenommen. Die Regierung hat Anweisung zu einem harten Durchgreifen gegeben. Die Erinnerung an die Blockaden aus den Jahren 2000, 1997, 1996 und 1992 ist noch wach, als Ölraffinerien oder Tankstellen abgeriegelt und damit Millionen Bürger an der Nutzung ihrer Fahrzeuge gehindert wurden.

Premier Raffarin versuchte gestern, die Streikenden mit wohl gewählten Worten zur Räson zu bringen. Es gebe ein Recht auf Streik, aber «kein Recht auf Blockaden», sagte der konservative Regierungschef. Das bewegte die Blockierer zunächst nicht zum Einlenken. Wo es ihnen zu brenzlig wurde, räumten sie Barrikaden - aber nur, um ein paar Kilometer weiter neue zu errichten.

Die Spediteure haben nach zähen Verhandlungen Einkommensverbesserungen von zwölf bis 15 Prozent zugesagt, die über drei Jahre verteilt und vielleicht noch einmal aufgebessert werden sollen, falls die Inflation über ein Prozent steigt. Die Gewerkschaften sind mit dem Ziel in die Verhandlungen gegangen, für die knapp 600 000 Berufsfahrer Frankreichs den Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt durchzuboxen. Inzwischen haben vier kleinere Gewerkschaften dieses Ziel aufgegeben, aber die sozialistische CFDT und die kommunistisch orientierte CGT als größte Organisationen halten daran fest. Für CGT-Generalsekretär Bernard Thibault ist die Speditionsbranche ein Hort des «Sozialdumpings». Die Einkünfte der Kraftfahrer liegen laut Gewerkschaften kaum über dem garantierten Mindestlohn.

Die entscheidende Frage ist nun, wie lange die Regierung Raffarin dem Druck der Straße standhält. Denn die Streikwelle rollt gerade erst an: Heute wollen die Fluglotsen die Arbeit niederlegen. Zugleich werden in Paris mindestens 50 000 Beschäftigte der Bahn zu einer Großkundgebung erwartet. Auch Streiks bei der Post und den Pariser Verkehrsbetrieben sind angekündigt. AFP