Wie kriminell ist Berlin?

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Jens Anker

Die Kriminalität in Berlin steigt. Berlin die Hauptstadt der Kriminellen? Der Streit darüber schwelt seit Jahren, die Antwort lautet eher nein. Unabhängig von der aktuellen Statistik, die in den einzelnen Polizeidirektionen einen Anstieg der Fälle bis zu elf Prozent verzeichnet, steht eines seit langem fest: Die Straftäter werden immer brutaler. Der alte Satz, dass man auf am Boden Liegende nicht tritt, gilt nicht mehr. Dieser Trend ist besorgniserregend - und lässt sich nicht mit dem Ruf nach mehr Personal lösen. Im Gegenteil: Der Ruf nach mehr Polizei lenkt häufig von eigenen Versäumnissen ab.

Jugendliche, denen Tag für Tag der Eindruck vermittelt wird, sie hätten keine Perspektive und keine Chance auf sozialen Aufstieg in der Gesellschaft, resignieren vor den Hürden des Alltags. Gewalt ist aber das Argument der Sprach- und Hoffnungslosen. Hier liegt die Ursache für viele Erkenntnisse, die die jüngste Polizeistatistik dokumentiert. So ist auffällig, dass vor allem Raubüberfälle zunehmen, die Gesamtzahl der Straftaten in den vergangenen Jahren dagegen leicht rückläufig war.

Schon seit längerem ist ein bedenklicher Trend festzustellen: Strafttaten werden immer häufiger mit dem Einsatz körperlicher Gewalt verübt. Diesen Trend umzukehren, ist nicht allein Aufgabe der Polizei. Einerseits gilt es, die Erziehung junger Menschen endlich wieder ernst zu nehmen, andererseits trotz der Krisenerscheinungen im Lande den Jugendlichen Zukunftschancen aufzuzeigen und ihre Stadt lebenswert zu erhalten. Das alles trägt zum Sicherheitsgefühl aller bei.

Es ist vor allem Aufgabe der Eltern, Erzieher und Lehrer, Jugendlichen den Respekt vor anderen Menschen zu lehren und vorzuleben. Aber auch die Polizei kann zur Entspannung beitragen - wenn sie endlich längst fällige Strukturreformen umsetzt. Die Polizei versucht sich seit Jahren an einer Reform, nach der die einzelnen Beamten mehr Verantwortung übernehmen sollen. Doch mit der Umsetzung hapert es noch immer. Der notorische Hinweis auf die Personalnot in den Revieren verhallt in Zeiten des finanziellen Notstands ungehört. Wenn die Polizei Glück hat, muss sie mit dem Personal auskommen, das sie hat. Deshalb muss auch ihre Führungsspitze die Beamten von Bürokratie befreien, um die Präsenz auf der Straße zu verstärken.

Bei aller Sorge ist Berlin aber keine wirklich unsichere Stadt. Im Vergleich zu anderen Metropolen gibt es keine rechtsfreien Räume und keine Gettos, in denen die Ordnungshüter im Kampf gegen Kriminelle kapituliert haben. Dass es neben all den Vorteilen eines sich öffnenden Europas auch negative Entwicklungen gibt, von denen eine die steigende Zahl ausländischer Straftäter ist, sollte niemanden überraschen. Das ist eine von vielen Herausforderungen, die Berlin als Metropole in der Mitte Europas zu bewältigen hat.