Die Gefahr eines Anschlags der Terror-Organisation Al Qaida in Deutschland ist nach den Worten von BND-Präsident August Hanning gestiegen. Der Bundesnachrichtendienst fürchtet konkret, dass Al Qaida einen größeren Anschlag plant.
Berlin - «Verkaufsoffener Samstag, ein belebtes Einkaufszentrum in einer deutschen Großstadt, mittags, die Geschäfte sind dichtgedrängt mit Menschen. Plötzlich mehrere aufeinanderfolgende Explosionen, viele Verletzte, die meisten allerdings infolge der ausbrechenden Panik. Großalarm bei Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten.» Was Mitte 1999 noch ein Szenario in der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr war, könnte vielleicht bald bittere deutsche Realität werden. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, sagt inzwischen, dass von einer «höheren Gefährdung auch hier in Deutschland» auszugehen ist.
Die größte Gefahr, das haben Hannings Schlapphüte in Pullach bei München recherchiert, geht vom Terrorismus islamistischer Prägung aus. Hauptorganisation in diesem Bereich ist nach wie vor Osama Bin Ladens «Al Qaida». Das nächste Angriffsziel werde hohe Zielsymbolik haben, zeigte sich Hanning auf dem 13. Forum «Bundeswehr und Gesellschaft» der Welt am Sonntag in Berlin überzeugt. Doch wo das Ziel liegen könnte, wissen Hanning, seine Mitarbeiter und auch die befreundeten westlichen und östlichen Dienste nicht. Moskau erlebte den Anschlag auf ein Theater durch ein Tschetschenen-Kommando. Symbolische Ziele gibt es überall: das Brandenburger Tor in Berlin, die Frauenkirche in München, den Eiffelturm in Paris und die Tower-Bridge in London. Es könnte aber auch ein «einfaches» Ziel werden, etwa ein Einkaufszentrum. Und nicht nur von Deutschen bevorzugte Urlaubsziele wie das tunesische Djerba waren und sind möglicherweise im Visier der Terroristen. Auch die Bundeswehr-Soldaten im Ausland könnten angegriffen werden. Direkt vor Bin Ladens Haustür in Kabul stehen 1300 deutsche Soldaten, die nur schlecht zu schützen sind.
Vor dem 11. September 2001 hatten die westlichen Späher überraschende Aktivitäten in den Lagern Bin Ladens in Afghanistan festgestellt. Dort bereiteten sich die Kämpfer auf Luftangriffe vor. Die Islamisten gruben sich ein. Dass die westliche Welt und besonders die USA dann eine Intervention in Afghanistan unternehmen könnten, hatten die Terroristen nicht erwartet. Sie flohen Hals über Kopf in schwer zugängliche Regionen Afghanistans, wo Bin Laden jetzt noch vermutet wird, oder in benachbarte Länder.
Sorge bereitet den westlichen Geheimdiensten, dass die Aktivitäten der Al Qaida wieder zunehmen. «Es finden Rekrutierungen statt», sagt Hanning. Aus anderen Quellen heißt es, in Afghanistan laufe die Heroinproduktion auf Hochtouren und werde Rekordergebnisse bringen. Die Terroristen brauchen offenbar Geld. Doch so viele Mittel sind für einen Anschlag nicht erforderlich.
Die Kosten der Vorbereitung der Anschläge in den USA am 11. September beziffert Hanning auf ein bis zwei Millionen Dollar. Allein Bin Ladens Privatvermögen wird auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Durch die Sperrung von Finanzquellen könne der Terrorismus nicht bekämpft werden, meint der BND-Präsident.
Aus Vernehmungen von Gefangenen und aus gefundenem Material wissen die Dienste inzwischen, dass alle Anschläge der Terroristen jahrelang vorbereitet wurden. Das bedeutet, dass die Planung für den nächsten großen Angriff bereits im Gange ist. Als mögliche Ziele nennt Hanning Touristenzentren im Süden Thailands, auf den Philippinen und Indonesien. Bin Ladens Stellvertreter Al Sawahiri habe Deutschland als Verbündeten der USA bereits ausdrücklich genannt.
Berliner Sicherheitspolitikern bereitet die Lage der deutschen Truppen in Kabul Sorge. Man müsse beim Isaf-Mandat «genau hinsehen, wie der Schutz der Truppen zu sichern ist und wie die Exit-Strategien aussehen», sagte CSU-Verteidigungsexperte Christian Schmidt.