Nach dem Zusammenbruch der Regierungskoalition in Israel hat Ministerpräsident Ariel Scharon überraschend Neuwahlen angesetzt. Als Wahltermin setzte die Knesset-Verwaltung den 28. Januar 2003 fest - neun Monate vor Ablauf der Legislaturperiode.
Jerusalem - Jenseits der schweren Regenwolken durchbrechen Kampfflugzeuge die Schallmauer. In der judäischen Wüste zwischen Jerusalem und dem Toten Meer übte die israelische Luftwaffe den Krieg. Fensterscheiben klirrten, als sich Staatspräsident Mosche Katzav an die Presse wandte: «Wenn nichts Unerwartetes passiert, werden Neuwahlen in 90 Tagen stattfinden.» Katzav meinte einen amerikanischen Krieg gegen Irak, von dem auch Israel betroffen sein könnte, und palästinensische Terroranschläge.
Bis tief in die Nacht hatte Premier Ariel Scharon versucht, eine «stabile alternative Koalition» aufzubauen, nachdem in der vergangenen Woche die Arbeitspartei aus der «großen Koalition nationaler Einheit» ausgebrochen war und Scharon mit nur 55 von 120 Abgeordneten in der Knesset sitzen ließ. Vordringliche Aufgabe war dann der Versuch, seinen innerparteilichen Kontrahenten Benjamin Netanjahu einzubinden. Nach anfänglichem Zögern willigte Netanjahu doch ein, Übergangs-Außenminister zu werden.
Scharon brauchte nicht einmal seinen Rücktritt einzureichen. Katzav sah, dass es niemanden gab, den er noch mit der Regierungsbildung beauftragen könnte. So verkündete der Staatspräsident am Morgen die Auflösung der Knesset und Neuwahlen in den gesetzlich vorgeschriebenen 90 Tagen.
Als Scharon wenig später erstaunlich ausgeruht, trotz der langen Nacht, vor die Presse trat, lief der Wahlkampf schon auf Hochtouren. Scharon hob an mit dem Terroranschlag vom Vortag, bei dem zwei Menschen in Kfar Saba durch einen palästinensischen Selbstmordattentäter ermordet worden waren. Dann betonte er, «trotz der Schwierigkeiten» an einer großen Koalition «nationaler Einheit» festgehalten zu haben. «Das ist es, was Israel in dieser schweren Zeit am ehesten benötigt».
Der frischgebackene Oppositionschef Benjamin Ben Elieser rechtfertigte seinen Austritt aus der Regierung mit der Absicht des Finanzministers, im nächsten Staatshaushalt «Gelder für die Rentner und Arbeitslosen den Siedlern zu geben». Die Arbeitspartei will Wirtschaftsfragen in den Vordergrund stellen, da sie mit den außenpolitischen Fragen nicht auf Stimmenfang gehen kann. Schließlich haben Schimon Peres und Ben Elieser unter Scharon das Scheitern des Friedensprozesses und den Krieg gegen die Palästinenser mitgetragen.
Innerhalb von 45 Tagen müssen sich die Parteien vorbereiten, Parteilisten einreichen und einen Parteichef angeben. Im Likud wie in der Arbeitspartei stehen noch erbitterte Gefechte aus. Weil Israel die Methode der Direktwahl des Ministerpräsidenten wieder abgelegt hat und zu der in Deutschland üblichen Wahl von Parteien zurückgekehrt ist, aus denen dann der neue Regierungschef hervorgeht, dürfte sich die Parteienlandschaft radikal verändern. Dem Likud wird eine Verdopplung seiner Kraft vorhergesagt, während die Arbeitspartei nur noch hoffen kann, genügend Abgeordnete einzubringen, um nach den Wahlen noch ein ernsthafter Koalitionspartner zu bleiben.