Der von Westerwelle verordnete Burgfrieden hält nicht

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Helmut Breuer

In der nordrhein-westfälischen FDP kommt es nun doch zum Machtkampf um die Nachfolge des zurückgetretenen Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann. In einer weiteren Krisensitzung des FDP-Landesvorstands am Montagabend in Düsseldorf zerbrach der Burgfrieden, den Parteichef Guido Westerwelle erst vor zwei Wochen mit einem Machtwort durchgesetzt hatte.

Düsseldorf - Auf dem nach zweimaliger Verlegung nun für den 30. November avisierten FDP-Sonderparteitag werden wahrscheinlich Ulrike Flach, der Wuppertaler FDP-Kreisvorsitzende Rolf Köster und möglicherweise auch Andreas Pinkwart für den Vorsitz des größten Landesverbandes der Liberalen kandidieren. Der aus NRW stammende Bundesvorsitzende Westerwelle kündigte in der Sitzung, die er vorzeitig und offensichtlich konsterniert verließ, an, sich in Zukunft nicht mehr in die personellen «Angelegenheiten des Landesverbandes einzumischen». Zuvor hatte der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende Pinkwart erklärt, er fühle sich nicht mehr an die mit Westerwelle getroffene Absprache über eine Arbeitsteilung gebunden. Danach sollte Pinkwart stellvertretender Bundesvorsitzender werden und Flach als Landesvorsitzende antreten.

Allerdings verwirrte Pinkwart nach Berichten von Teilnehmern der Vorstandssitzung sowohl seine Anhänger als auch seinen Förderer Westerwelle mit der Erklärung, er wisse noch nicht, ob er beim Sonderparteitag kandidieren wolle. Gegenüber Journalisten sagte Pinkwart dazu: «Ich habe den Verzicht auf eine Kandidatur für meine Person aufgehoben, das heißt aber nicht, dass ich eine angemeldet habe.»

Ulrike Flach forderte gestern Pinkwart auf, jetzt «Flagge zu zeigen», da sie nichts von «verschleierten Kandidaturen» halte. Die couragiert auftretende Bundestagsabgeordnete aus Mülheim betonte auch, dass sie das Ende des Burgfriedens mit einer gewissen «Erleichterung» sehe. Es sei besser für den größten FDP-Landesverband, «dass er die Möglichkeit hat, eine Kandidatin zu wählen, die für Eigenständigkeit steht und nicht unter der Prämisse, dass ein Kandidat in Berlin besonders beliebt ist».

Flach sprach auch von «großer Sympathie» im Landesvorstand für ein Parteiausschlussverfahren gegen Möllemann. Wenn am 23. November ein Abschlussbericht der Kassenprüfer zur Spendenaffäre Möllemanns vorliege, werde sie ein solches Verfahren beantragen. Allerdings müsse laut Satzung der FDP vorher Möllemann zu den Vorwürfen gehört werden. Möllemann, der inzwischen offenbar in einem der Öffentlichkeit nicht genannten Sanatorium behandelt wird, wurde gestern von Flach als «bester Spenden-Einsammler, als Ausnahme-Person» gewürdigt. Deswegen sei es jetzt schwer, nach dem bevorstehenden Rücktritt von Landesschatzmeister Andreas Reichel einen guten Nachfolger zu finden, sagte Flach.

Offenbar unter dem Eindruck eines «Focus»-Berichts über den Alkoholkonsum Möllemanns beim Rückflug von Gran Canaria nach Münster hat Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow den Parteifreund aufgefordert, ein amtsärztliches Attest vorzulegen. «Wenn Möllemann weiterhin Krankheit vorschützt, soll er durch ein Attest vom Amtsarzt nachweisen, dass er wirklich krank ist», sagte Zastrow der «Bild»-Zeitung.

In der Landesvorstandssitzung am Montagabend in Düsseldorf wurde auch dem zuvor beurlaubten langjährigen Landesgeschäftsführer Möllemanns, Hans-Joachim Kuhl, fristlos gekündigt. Er soll manipulierte Spenden verbucht und mehrere seiner acht Mitarbeiter verleitet haben, illegale Barspenden zu verschleiern.

Die hessische FDP-Vorsitzende Ruth Wagner hat den NRW-Landesverband ihrer Partei aufgefordert, mit einem «umfassenden und zügigen Selbstreinigungsprozess auf allen Ebenen» die Aufklärung des Spendenskandals zu beschleunigen. Ebenso wie Graf Lambsdorff forderte sie erneut ein Ausschlussverfahren gegen Möllemann, wenn dieser die FDP nicht freiwillig verlasse. FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt hat unterdessen von seinem NRW-Kollegen Andreas Reichel Antworten auf seinen vierseitigen Fragenkatalog erhalten. Trotzdem gibt es noch viele offene Fragen. Für heute hat Rexrodt eine weitere Pressekonferenz angekündigt. Dabei könnte es nach Angaben aus FDP-Kreisen um Hinweise gehen, dass es bereits im Landtagswahlkampf 2000 zu finanziellen Unregelmäßigkeiten in der NRW-FDP gekommen ist.