Nur Rentner bleiben verschont

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Auch die Rentenkassen sind wegen Konjunkturflaute und Jobmisere in Finanznöten. Gestopft werden sollen die Löcher vor allem von den Beitragszahlern. Zusätzliche Finanzlasten bergen neue Regelungen bei der Ökosteuer.

Berlin - Nach tagelangem Tauziehen haben SPD und Grüne ihren Rentenstreit beigelegt und den Weg für das entsprechende Eilgesetz freigemacht. Danach wird der Beitrag zum 1. Januar von 19,1 auf 19,5 Prozent erhöht. Die Sozialdemokraten setzten sich damit gegen die Grünen durch, die gefordert hatten, den Anstieg auf 19,3 Prozent zu begrenzen. Das Gesetzespaket, das auch die Sparpläne im Gesundheitsbereich umfasst, soll bereits morgen in den Bundestag eingebracht werden. Der rot-grüne Beschluss zum Beitragssatz stieß auf heftige Kritik von Opposition und Wirtschaft. Union und FDP sahen eine Niederlage der Grünen auf der ganzen Linie. Der Hauptverband des Einzelhandels nannte die Beitragspläne einen «Konjunkturkiller, der jede Hoffnung auf ein Wirtschaftswachstum zunichte macht». Die Union und der Sozialverband VdK sagten trotz Rentenreform und Zuschüssen aus der Ökosteuer einen Anstieg des Rentenbeitrags schon 2004 oder 2005 auf über 20 Prozent voraus.

Die neuen Maßnahmen werden die meisten Bundesbürger im Geldbeutel merken. Wie sehr, zeigt folgende Beispielrechnung. Wegen der paritätischen Finanzierung der Sozialbeiträge kommen die gleichen Mehrbeträge noch einmal auf die Unternehmen zu.

Durch die Anhebung des Rentenbeitragssatzes wird ein Beschäftigter mit einem Bruttoeinkommen von 2500 Euro um fünf Euro im Monat zusätzlich belastet. Liegt der Verdienst bei 5100 Euro und damit gut doppelt so hoch, dann beträgt der Aufschlag stolze 67,50 Euro im Monat: Neun Euro ergeben sich aus der Anhebung des Beitragssatzes, der Rest geht auf das Konto der höheren Bemessungsgrenze. Nur für Einkünfte, die darüber liegen, müssen keine Sozialabgaben bezahlt werden.

Da die angehobene Bemessungsgrenze künftig auch für die Arbeitslosenversicherung gilt, werden so genannte Besserverdiener - und nur sie - auch hier zusätzlich zur Kasse gebeten, und zwar im Einkommensbereich zwischen 4500 und 5100 Euro (West) und zwischen 3750 und 4275 Euro in Ostdeutschland. Wer an der Obergrenze liegt, muss als Westdeutscher 20 Euro mehr berappen, also Ostdeutscher 17 Euro. Allerdings: Den höheren Beiträgen stehen auch im Fall des Falles höhere Ansprüche beim Arbeitslosengeld und - in jedem Fall - später bei der Rente gegenüber.

Alle, die knapp unter oder über der 5100-Euro-Verdienstgrenze liegen, müssen sich 2003 also allein für Rente und Arbeitslosenversicherung monatlich bis zu 87,50 Euro mehr an Abzügen gefallen lassen. Dazu kommen Belastungen aus steigenden Krankenkassenbeiträgen, der Erhöhung und künftigen Ausgestaltung der Ökosteuer, der Verschiebung der Steuerreformstufe 2003 um ein Jahr und die Beschränkung der Eigenheimzulage.

Mitbetroffen durch die Notoperationen zu Gunsten der Rentenkassen ist aber auch der Bund: Durch die Anhebung des Beitragssatzes um 0,4 Prozentpunkte muss er ihnen rund 800 Millionen Euro mehr überweisen. Eingeplant waren nur 400 Millionen. Die Beitragszahler steuern noch einmal rund 3,5 Milliarden Euro dazu. Die Belastung für alle wäre noch deftiger ausgefallen, hätte Rot-Grün nicht Rückgriff auf die «eisernen Reserven» der Rentenversicherer genommen: 2003 wird die Schwankungsreserve, die auch bei schwankenden Einnahmen die Auszahlung der Renten sicherstellen soll, von 80 auf 50 Prozent einer Monatsausgabe zurückgenommen.

Zudem haben SPD und Grüne in ihrem Streit um die künftige Ausgestaltung der Ökosteuer einen Kompromiss erzielt. Durch die Änderungen muss Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) allerdings mit geringeren Einnahmen kalkulieren als geplant. Die geplanten Änderungen im Einzelnen:

- Die ermäßigten Ökosteuersätze für Strom, Heizöl und Heizgas für Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft werden von derzeit 20 auf 60 Prozent der Ökosteuer-Regelsätze angehoben.

- Die Berechnungsgrundlage für den Spitzenausgleich wird umgestellt. Details blieben zunächst unklar. Nach Aussagen von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sollen die Firmen 95 Prozent der Stromsteuer-Belastung erstattet bekommen, die über ihre Einsparungen bei den Rentenbeiträgen durch die Ökosteuer hinausgehen.

- Der ermäßigte Stromsteuersatz für Nachtspeicherheizungen wird auf 12,30 Euro von derzeit 10,20 Euro je Megawattstunde angehoben. Im Jahr 2007 soll die Steuervergünstigung dann vollständig entfallen.

- - Die Steuern auf Erdgas, das als Heizstoff verwendet wird, soll auf 5,50 Euro von derzeit 3,476 Euro je Megawattstunde steigen.

- Der Mineralölsteuersatz für Flüssiggas wird auf 60,60 Euro je 1000 kg festgesetzt. Derzeit beträgt der Satz 38,34 Euro.

- Die Steuer auf schweres Heizöl steigt auf 25 Euro von derzeit 17,89 Euro je 1000 kg.

- Ausnahmen gelten für Mineralöle, die zum Beheizen von Gewächshäusern oder geschlossenen Kulturräumen verwendet werden. Hier soll die Steuererhöhungen erst im Januar 2005 in Kraft treten.

- Die Steuerermäßigung für Erdgas, das als Kraftstoff in Fahrzeugen verwendet wird, wird bis Ende des Jahres 2020 verlängert.