Bei der Parlamentswahl in der ehemaligen jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina haben die Nationalisten der muslimischen, der serbischen und der kroatischen Volksgruppe starke Zugewinne verzeichnet. Internationale Beobachter sehen das mit Sorge.
Budapest - Es waren durchaus historische Wahlen - von ihnen erhoffte sich die Staatengemeinschaft den Anfang einer neuen Normalität in Bosnien. Ein Sieg der Reformer, so meinte man, würde dem Land endlich jene Stabilität verschaffen, die es dem Westen politisch und wirtschaftlich ermöglichen würde, sich allmählich aus dem faktischen Protektorat zu verabschieden. Entsprechend gab man unmissverständliche Signale - nur wenn die Reformer siegten, so hieß es vor der Wahl, sei auch der Fortbestand der internationalen Hilfsgelder gesichert.
Das half wenig. Sowohl aus den Parlaments- als auch aus den Präsidentschaftswahlen gingen die nationalistischen Kräfte aller drei Volksgruppen als Sieger hervor. Noch können sich angesichts der komplizierten Auszählung Prozente verschieben, aber klar ist, dass die westlich orientierten Parteien von den Wählern regelrecht abgestraft wurden.
Das gilt vor allem für die einzige große multiethnische Partei, die bisher regierende «Sozialdemokratische Partei» (SDP). Nach den letzten Wahlen war dieser Liebling des Westens die stärkste politische Kraft zumindest der muslimisch-kroatischen Föderation. Nun rutschte sie auf etwas mehr als 14 Prozent ab und wurde gleich von drei Partien überholt: von der nationalistisch orientierten muslimischen SDA, der moderateren, ebenfalls muslimischen SBiH, und von der kroatischen HDZ.
Bei den Wahlen für das dreiköpfige gesamtbosnische Präsidium lag für den serbischen Posten der Nationalist Mirko Sarovic nach Auszählung von drei Vierteln der Stimmen scheinbar uneinholbar in Führung, und für den kroatischen Sitz schien dem Hardliner Dragan Covic die absolute Mehrheit der kroatischen Stimmen sicher. Wer die Muslime im Präsidium repräsentieren wird, war noch nicht klar - auch hier führte der Nationalist Sulejman Tihic nach Auszählung von zwei Dritteln knapp vor dem Reformer Haris Silajdzic.
Bei der Wahl zum serbisch-bosnischen Parlament lag die Partei des einstigen Serbenführers Radovan Karadzic, die «Serbische Demokratische Partei», mit 37 Prozent in Führung, gefolgt von den moderateren Sozialdemokraten (25 Prozent). Im kroatischen Teil Bosniens siegte die nationalistische HDZ.
Alle diese Parteien wollen dem Vernehmen nach Reformen, Marktwirtschaft, gute Beziehungen mit dem Westen. Die Wähler wollten vermutlich der bisherigen, als korrupt und unfähig gesehenen Führung, einen Denkzettel verpassen. Nur 55 Prozent betrug die Wahlbeteiligung. Fraglich ist, ob die Staatengemeinschaft, die Bosnien bislang mit fünf Milliarden Dollar finanziert hat, das Land wie geplant binnen vier Jahren sich selbst überlassen kann.