Was hat dem Kanzler den Wahlsieg beschert? Die halbwegs geschlossen angetretenen Kompanien von SPD und Gewerkschaften, die der Kanzler mit Sozial-Prosa und Kriegsgetöse an die Urne geholt hat? Oder eben auch die zwei, drei Prozent Wählerstimmen, die in der Mitte fast immer deutsche Wahlen entscheiden - und die nicht wahrhaben mochten, Schröder 1998 vergeblich an die Macht gebracht zu haben? Wahrscheinlich beides. Und wenn dem so ist, dann war Gerhard Schröders knapper Sieg in der Mitte vor allem ein Vorschuss in Vertrauen. Dann war es die Hoffnung auf den zweiten Anlauf, auf Schröders Rückkehr in die «Neue Mitte», wo es zwar ein zweites Schröder-Blair-Papier nicht geben wird, aber wo alle Konzepte für Reformen im Land längst gedacht sind.
Auch der Kanzler scheint zu ahnen, dass er jetzt, vor einem extrem bitteren Winter auf dem Arbeitsmarkt, zumindest diese Hoffnung nicht ersticken darf. Zwar weiß er vermutlich selbst noch nicht, wie weit er eigentlich gehen will; und ebenso wenig, wie er Gewerkschaften und Traditions-Linke in der SPD zur Räson bringen könnte. Sein wiederentdeckter Bauch aber hat ihn gelehrt, dass die entscheidende Schlacht um Wohl und Wehe seiner zweiten Amtszeit schon begonnen hat - und dass er in diese Schlacht nicht mit verbrauchtem Personal ziehen darf.
Der Kanzler hat schlüssig gehandelt. Wirtschafts- und Arbeitsministerium zusammenzulegen mag unter Ordnungspolitikern umstritten sein - die Durchschlagskraft von Reformern erhöht es allemal. Und dieser Eindruck war dem Kanzler zunächst der wichtigste. Was er mit einer einzelnen Personalie also maximal an Botschaft senden konnte, hat Schröder mit der Bestallung Wolfgang Clements erreicht: Ich habe verstanden, vermittelt die Berufung dieses «Hartz-Ministers». Ich weiß um das zentrale Problem. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.
Auch der Kanzler weiß, dass radikal gespart werden muss - und zwar nicht, indem die Steuern klammheimlich erhöht oder die Etatlöcher ins nächste Jahr verschoben werden, sondern durch die Einschränkung öffentlicher Leistungen, die Milliarden kosten; durch eine ganz neue Abgrenzung zwischen staatlichen und privaten Aufgaben. Nur so wäre ein «rot-grünes Projekt» ökonomisch wetterfest zu machen. Nur so wird nach des Kanzlers Wunsch eine «Epoche» daraus.
Am Rückhalt für Eichel und Clement wird sich entscheiden, wie weit des Kanzlers neuer alter Flirt mit der Mitte trägt - bis zu einer veritablen Kur der deutschen Krankheit, oder nur bis zum nächsten Kaninchen, das Gerhard Schröder als erster Gaukler des Staates immer dann aus dem Hute zieht, wenn die alten nicht mehr gefallen.