Riga - Trotz einer passablen Regierungsbilanz droht dem lettischen Ministerpräsidenten Andris Berzins bei der Parlamentswahl heute das Aus. Die Umfragen sehen seine Partei Lettlands Weg (LC) nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde.
Favorit ist nach Umfragen der frühere lettische Zentralbankpräsident Einars Repse mit seiner jungen Partei Neue Zeit, dicht bedrängt von der Volksbewegung für Lettland mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Andris Skele an der Spitze.
Premier Berzins habe es nicht geschafft, der Bevölkerung seine Erfolge zu vermitteln, begründen Meinungsforscher das Popularitätstief des Regierungschefs. Daher werde sich am Wahltag vermutlich weder die für Lettlands Bauern günstig verlaufenen Agrar-Verhandlungen mit der EU noch die Fortschritte bei der Nato-Erweiterung in Stimmkapital ummünzen lassen.
Das Ende der Mitte-Rechts-Koalition aus LC, Volkspartei (TP), Union für Vaterland und Freiheit (TB) und Neue Partei (JP) steht den Umfragen zufolge kurz bevor. Die LC sei im Bewusstsein vieler Bürger eine «alte Partei», heißt es. Auch der erfolgreiche Weg in die Zukunft mit den bevorstehenden Beitritten zu EU und Nato beeinflusse dieses Bild nicht positiv. Die Vorbehalte gegen einen EU-Beitritt sind in Lettland allerdings groß. Im Juli stellten die Befürworter mit rund sieben Prozentpunkten Vorsprung vor den EU-Gegnern nur eine knappe Mehrheit.
Die EU-Beitrittsverhandlungen Lettlands und seiner Nachbarn Litauen und Estland sollen Ende des Jahres abgeschlossen werden. Beim Prager Nato-Gipfel wird Riga voraussichtlich offiziell zur Mitgliedschaft im Bündnis eingeladen. Auch wirtschaftspolitisch kann Berzins Erfolge vorweisen: Trotz abflauender Weltkonjunktur wuchs Lettlands Wirtschaft im vergangenen Jahr um 7,6 Prozent.
Doch vor allem die Landbevölkerung bemesse die Erfolge der Regierungspolitik mehr nach dem Geld in der eigenen Tasche, meint Journalist Aldis Dublans. «Die Menschen in den Kleinstädten denken, die Lage ist schlecht.» In seiner Heimatstadt Valka liege der Durchschnittslohn bei umgerechnet rund 169 Euro im Monat - und Valka sei nicht die ärmste Stadt. Für die Bauern sei die EU ein Feindbild geblieben. Ein Experte setzt auf eine neue Koalitionsregierung. Aber auch eine Wiederauferstehung Berzins in letzter Minute sei noch möglich. AFP