Brüssel - EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat bestätigt, dass es «Überlegungen» gebe, die Türkei als Kandidatenland stärker als bisher mit Finanzmitteln der Europäischen Union zu unterstützen. Allerdings sei die in Brüssel zuvor kolportierte Summe von einer Milliarde Euro «viel zu hoch gegriffen».
Derzeit erhält die Türkei jährlich 149 Millionen Euro - und zwar aus dem Topf für EU-Außenpolitik. «Im Gespräch» sei derzeit eine Aufstockung der Mittel um 150 bis 160 Millionen Euro, also um das Doppelte, sagte Verheugen gestern in Brüssel. Diese Gelder würden dann nicht mehr aus dem Topf für Außenpolitik, sondern aus dem im EU-Budget vorgesehen Fonds für Vor-Beitrittshilfen fließen.
Verheugen äußerte sich wenige Tage, bevor die EU-Kommission ihre Empfehlung abgeben will, welchen Ländern die Staats- und Regierungschefs im Dezember in Kopenhagen den Beitritt zur EU anbieten sollen. Obwohl die so genannten Fortschrittsberichte, in denen die Kommission eine Bilanz der fünfjährigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftsrechtlichen Entwicklung der 13 Beitrittskandidaten zieht, offiziell erst am kommenden Mittwoch präsentiert wird, ist das Ergebnis in Brüssel ein offenes Geheimnis: Die Kommission wird die Aufnahme von zehn Kandidaten in einer ersten Runde empfehlen: Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Malta und Zypern. Diese Länder sollen der EU bis Anfang 2004 beigetreten sein, um noch im gleichen Jahr als Vollmitglieder an den Europawahlen teilnehmen zu können. Rumänien und Bulgarien haben sich selbst als Zieldatum für eine angestrebte Aufnahme in die EU das Jahr 2007 gesetzt - ein Datum, das die Kommission aller Voraussicht nach bestätigen wird.
Die EU hatte der Türkei auf dem Gipfel von Helsinki im Dezember 1999 den Status eines Beitrittskandidaten verliehen. Mit Ankara haben die Verhandlung im Gegensatz zu den anderen zwölf Kandidaten aber noch nicht begonnen. Verheugen hatte jüngst erst betont, dass die Türkei die politischen Kriterien für einen Beitritt noch nicht erfülle. Ankara hoffte, vor allem nach Verabschiedung eines umfassenden politischen und juristischen Reformpaketes, dass die EU-Staats- und Regierungschefs ihr ein konkretes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen in Aussicht stellen. Doch zumindest für den großen Erweiterungsgipfel in Kopenhagen ist ein solches Signal nicht zu erwarten. rid