Etwas gewollt, etwas gewöhnungsbedürftig ist er bis heute geblieben - unser Nationalfeiertag. Der 3. Oktober hat eben wenig von jener geschichtlichen Aura, wie sie der 9. November, der mehrfache Schicksalstag der deutschen Geschichte, besitzt. Aber unter den vielen Argumenten, die nach der Wende für den 3. Oktober sprachen, war sicher das netteste und menschlichste, dass es draußen im Freien noch warm genug sei zum Feiern.
Gefeiert hat Berlin in diesem Jahr ausgiebig. Eine Million Menschen vor dem Brandenburger Tor sind alles andere als Beleg für Desinteresse.
Die Kulisse des restaurierten Brandenburger Tors, die Menschenmassen davor und die fröhliche Stimmung hätten den 3. Oktober in der Hauptstadt zu einem wirklichen nationalen Festtag werden lassen können - wenn die professionelle Regie des Abends auch noch Platz gelassen hätte für ein Stück Geschichte, ein bisschen Erinnerung und einen Rest an Tradition.
Keine andere Nation auf der Welt hätte ein solches Fest an einem so geschichtsbeladenen Ort wie vor dem Brandenburger Tor ohne ihre Hymne gefeiert. Keine andere Regierung hätte die Gelegenheit öffentlichen Gedenkens und öffentlicher Rührung ausgelassen, an Herkunft und Zukunft, Verantwortung und Hoffnung des eigenen Landes, der eigenen Nation zu erinnern.
Nicht in einem steifen Festakt hinter verschlossenen Türen und für eine ausgewählte kleine Elite von Repräsentanten, sondern in aller Öffentlichkeit und vor all den vielen Menschen, die sich einmal im Jahr wenigstens vergewissern wollen, wohin sie gehören, von welcher Nation sie sind.
Das vielfach geschundene und doch immer wieder in alter Schönheit auferstandene Brandenburger Tor ist eben keine Würstchenbude, das Schicksal dieses Ortes kein Event, der 3. Oktober kein Budenzauber. Dieser Tag gehört der Erinnerung an zwei deutsche Diktaturen, an Krieg, Mauer, Teilung und an die Menschen, die dort ihr Leben ließen. Dieser Tag gehört aber auch der Freude über die Einheit und der Dankbarkeit gegenüber denen, die mitgeholfen haben, diese Einheit wiederzuerlangen.
Doch davon war bei dieser Einheitsfeier, die in diesem Jahr an ihren Ursprungsort in der Hauptstadt zurückgekehrt war, kaum noch etwas zu spüren. Spaß soll sein, auch in Berlin.
Aber ein bisschen mehr Ernst, ein bisschen mehr Stil, und etwas mehr Niveau täten ihr schon gut, dieser Berliner Republik - und sei es nur an diesem einen Tag des Gedenkens an den Mauerfall und an die deutsche Einheit.