US-Taliban droht lange Haftstrafe für Afghanistan-Abenteuer

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Foto: JHC JM

Washington - Der «amerikanische Taliban» John Walker Lindh, dessen Strafe gestern von einem US-Gericht verkündet werden sollte, gibt seinen Mitbürgern noch immer Rätsel auf: Wie wurde aus dem unauffälligen Sohn einer kalifornischen Mittelstandsfamilie der bärtige Fundamentalist, den US-Verbündete im Norden Afghanistans gefangen nahmen?

Der heute 21-jährige Lindh wuchs als eines von drei Geschwistern in einem gutbürgerlichen Vorort von San Francisco auf. Seine Eltern Frank Lindh und Marylin Walker, die zu der Flower-Power-Generation der späten 60er-Jahre gehörten, benannten ihn nach dem Beatles-Sänger John Lennon. Der Vater ist Anwalt, die Mutter Hausfrau. Zwar sind sie inzwischen geschieden, aber ihre Nachbarn haben die Walkers als glückliche Familie in Erinnerung.

John Walker Lindh war ein eher schüchternes Kind und ein guter Schüler. Als Teenager fiel er höchstens durch seine große Sammlung von Hip-Hop-CDs auf. Doch als er im Alter von 16 Jahren die Autobiographie des radikalen schwarzen Bürgerrechtlers Malcolm X las, begann seine Wandlung: Er konvertierte zum Islam, nannte sich Suleyman al-Lindh und beschloss, eine Koranschule zu besuchen.

Seine Eltern akzeptierten seine Entscheidung. 1999 kehrte John Walker Lindh für ein paar Monate nach Hause zurück, ehe er nach Pakistan ging. Nach Angaben der US-Bundespolizei erhielt er dort sein erstes Waffentraining. Im Mai 2001 überquerte er die Grenze nach Afghanistan und schloss sich den Taliban an. Nach der blutigen Gefängnisrevolte bei Masar-i-Sharif fiel Lindh im November schließlich in die Hände von US-Truppen.

Die Bilder des langhaarigen und ausgezehrten US-Bürgers im Taliban-Gewand gingen um die Welt. Inzwischen wurden sie durch ein anderes Bild abgelöst: Walker Lindh mit kurzen Haaren und rasiert vor Gericht. Nach Angaben seines Anwalts ist er aber noch immer ein gläubiger Moslem.

Erwartet wurde nun, dass der 21-Jährige zu 20 Jahren Haft verurteilt wird. Dies entspräche einer Vereinbarung. Walker Lindh hatte gemäß dieser Absprache seine Mitgliedschaft in der Taliban-Miliz gestanden und den US-Ermittlern seine Kooperation zugesagt; die Kläger verzichteten dafür auf einen Antrag auf lebenslange Haft. AFP