Stoibers Erfolgsrezept: Steuern runter

| Lesedauer: 4 Minuten
Martin Lutz

Foto: MS FO

Berlin - Der Kanzlerkandidat machte seinem Ruf als Perfektionist keine Ehre. Als bayerischer Ministerpräsident ein Musterbeispiel an Präzision, hat Edmund Stoiber im Wahlkampf manchmal Schwierigkeiten mit dem Zeitmanagement. Zur Vorstellung seines Sofortprogramms im Falle eines Wahlsiegs kam er gestern in Berlin zehn Minuten zu spät. Auf die Frage eines Journalisten, wie sich dies mit seiner Genauigkeit vereinbaren ließe, antwortete Stoiber: «Das ist doch kein Problem.» Erst auf die Nachfrage, ob er sich schon einmal ausgerechnet habe, welcher wirtschaftliche Schaden bei 150 Teilnehmern der Bundespressekonferenz durch das Zuspätkommen entstehe, nannte der Kandidat den Grund für die Verspätung: «Ich bin doch nicht bereit, mit offenen Punkten hierher zu kommen.» Tatsächlich hatten der CSU-Politiker und sein Beraterstab bis kurz vor der Pressekonferenz an dem Programm gefeilt.

Der letzte programmatische Auftritt von Stoiber und CDU-Chefin Angela Merkel vor der Wahl war geschickt inszeniert. Nüchtern, zurückgenommen, ohne rhetorische Überhöhung gab der bayerische Ministerpräsident die Erklärung der «Regierung Stoiber» für ein leistungsfähiges und soziales Deutschland ab.

Der Anwärter für das Kanzleramt wirkte anfangs wie ein nervöses Rennpferd, das alle Hürden auf einmal überspringen will. Noch im Herbst wolle er die Weichen auf Aufschwung stellen, den Arbeitsmarkt und die Konjunktur in Schwung bringen. «Lasst die Pferde wieder saufen, damit es wieder aufwärts geht in Deutschland», verkündete Stoiber.

Sein Auftritt war die Antwort auf das Hartz-Programm des Bundeskanzlers. Der Kandidat präsentierte sich vor allem als Interessenvertreter des von «Rot-Grün benachteiligten Mittelstands», dem durch Investitionszulagen in Form von Steuererleichterungen geholfen werden soll. Steuern ab 1. Januar runter, heißt das Erfolgsrezept. Die kritisierte Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen für Kapitalgesellschaften wird in Stoibers Startprogramm allerdings nicht erwähnt. Änderungen in diesem Punkt dürften «nicht über das Knie gebrochen» werden, sondern sollen erst im Zuge der Steuerreform ab 2004 angegangen werden, so der Kanzlerkandidat.

Stoibers Startprogramm enthält viel Altbekanntes: So soll etwa das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit zurückgenommen, der generelle Anspruch auf Teilzeitarbeit aufgehoben und der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer verändert werden.

Die dringend anstehenden Reformen werden ausgeklammert. Wie soll der drohende Kollaps der Sozialsysteme bei Rente und Gesundheit verhindert werden? «Dies ist ein Start- und kein Regierungsprogramm», antwortete Stoiber darauf. Die bessere Ausstattung der Bundeswehr bleibt in seinem Papier schwammig. Eine Aufstockung des Verteidigungsetats wird nicht genau beziffert. Alles steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Mehrfach unterstrich Stoiber: Nur wenn der Wirtschaftsmotor wieder anspringe, könne er wirklich mehr Geld ausgeben.

Mit seinem Sofortprogramm versuchte er die Blicke weg von der Flut, hin zum Thema Arbeitslosigkeit und Wirtschaft zu lenken. Denn Kanzler Gerhard Schröder könnte durch das Hochwasser quasi ein weiteres Mal ins Amt gespült werden, wie die neuesten Umfragen belegen. Stoibers Berater machen sich Mut, in dem sie von der Falle reden, die sich die SPD selbst gestellt habe. Denn mit den Themen Flut und Irak-Krieg werde die PDS aus dem Bundestag katapultiert. «Die SPD nimmt an Stimmungslage zu», räumte Stoiber ein, um anzufügen: «Das geht auf Kosten der Wähler, die bisher PDS gewählt haben.» Bei dieser Nachfrage wirkte der Kandidat nicht mehr so souverän wie am Anfang. Nervosität drei Wochen vor der Wahl will der Stoiber-Macher, Michael Spreng, aber nicht erkennen. «Es war richtig, die Strategie der eigenen Positionen durchzuhalten.» Jetzt konzentrieren sich alle auf das letzte TV-Rededuell mit Schröder.