Das dürfte es dann wohl gewesen sein. Wer nach dem gestrigen Auftritt von Ronald Schill im Deutschen Bundestag noch glaubt, mit diesem Mann gemeinsam Politik machen zu können, bewegt sich nicht mehr im demokratischen Sektor. Das stellt zu aller erst den Hamburger Bürgermeister vor die prekäre Frage, wie es mit seiner Bürgerkoalition weitergehen soll, die ohne Schill und seine «Rechtsstaatliche Initiative» keine Mehrheit in der Bürgerschaft hat. Jedenfalls ist kaum vorstellbar, dass Regierungschef Ole von Beust einen Mann rehabilitiert, der immerhin Innensenator eines deutschen Bundeslandes ist, sich aber vor dem deutschen Bundestag als rechtspopulistisches Rumpelstilzchen aufführt. Auch die in Hamburg mitregierenden Freidemokraten können sich ohne völligen Gesichtsverlust nicht mit einer solchen Figur weiterhin sehen lassen.
Hier geht es nicht nur um schlechte Manieren und um die vorsätzliche Missachtung des Parlamentes und seiner Hausordnung durch einen gastweise geladenen Landespolitiker. Offenbar hat Schill mit seinen Ausfällen ganz gezielt den Auftritt im Bundestag zu nutzen versucht, um sich mit finstersten Stammtischparolen in ungebührlichster Form als Adresse für ein von ihm vermutetes Radaupotenzial in der Wählerschaft zu empfehlen - mit bundesweiter Ausstrahlung. Das kann man ihm auf keinen Fall durchgehen lassen. Wer als demokratische Partei nicht klare Grenzen zu solchen Kräften zieht, liefert sich - und das Land - politischen Geisterreitern aus. Es ist jetzt an Ole von Beust, einen Trennungsstrich zu ziehen, der von der Alster bis an die Spree reicht - sonst gerät das bürgerliche Lager nicht nur an der Küste in schweren Erklärungsnotstand.
Wie schädlich Schill und seine totalitären Allüren für den Demokratiebetrieb sind, lässt sich am konkreten Zusammenhang seines Auftritts beispielhaft erklären. Denn natürlich gibt es berechtigte Vorbehalte gegen die Koalition der Schuldenmacher und Kreditnehmer, die sich gestern im Bundestag als Fluthelfer empfahlen. Und der Zorn des Bürgers, dass weder Rot-Grün noch der Union etwas Besseres einfällt als die öffentlichen Kassen weiter aufzublähen, um den Flutopfern zu helfen, ist nur zu verständlich. Wenn dieses berechtigte Unbehagen an etatistischen Auswüchsen aber auf ausländerfeindliche Mühlen gelenkt wird, ist die Grenze zur Demagogie überschritten. Das ist eine Frage der politischen Kultur des gesamten Landes von Passau bis Usedom.
Schills Auftritt im Bundestag ist ein deutliches Lehrbeispiel dafür, wie Rechtspopulismus entstehen und wie plötzlich er seinen Auftritt auf der nationalen Bühne bekommen kann, wenn er Gelegenheit zur plakativen Fundamentaloppositon bekommt. Hoffentlich ist die Abwehrreaktion ebenso deutlich.