Karlsruhe - Wenige Tage vor dem Jahrestag des blutigen Terrorangriffs islamistischer «Gotteskrieger» auf New York und Washington hat Generalbundesanwalt Kay Nehm die erste Anklage gegen einen mutmaßlichen Komplizen der Hamburger Attentäter des 11. September 2001 erhoben. Sie richtet sich gegen den 28 Jahre alten Marokkaner Mounir El Mossadeq, nach Auffassung der Bundesanwaltschaft «Statthalter» der von Hamburg aus operierenden Todespiloten. Er sitzt seit dem 28. November 2001 in Untersuchungshaft.
Der mutmaßliche Mudschaheddin-Aktivist, der 1995 als Student der Elektrotechnik in die Hansestadt gezogen war und sich 2000 in einem Trainingslager der Al Qaida in Afghanistan aufgehalten hatte, soll besonders bei der Finanzierung der terroristischen Aktivitäten der Hamburger Zelle um den «Boss» und späteren Todespiloten Mohammed Atta eine «maßgebliche Rolle» gespielt haben, so der Generalbundesanwalt gestern in Karlsruhe.
Die vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht eingereichte Anklage lautet daher auf Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in mindestens 3116 Fällen. Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft seit dem verheerenden Terrorangriff auf die USA mehr als 60 Ermittlungsverfahren mit über 100 Beschuldigten eingeleitet.
Nach Darstellung des obersten deutschen Anklägers war Motassadeq ebenso wie die übrigen Gruppenmitglieder bis zuletzt in die Attentatsvorbereitungen eingebunden. Er habe die Ziele der Terroranschläge in den USA gekannt sowie «Planung und Vorbereitung dieser Anschläge durch eine Vielzahl von Aktivitäten» unterstützt. Während der Abwesenheit der übrigen Mitglieder der Hamburger Islamistenzelle habe er gemeinsam mit dem flüchtigen Said Bahaji als «Statthalter» planmäßig den Aufenthalt seiner Komplizen verschleiert und die notwendigen Finanzgeschäfte für den «Heiligen Krieg» abgewickelt. Motassadeq sei ein «Rädchen» gewesen, «ohne das die Sache nicht funktioniert hätte».
Entstehung und Entwicklung des Hamburger Terroristennestes sowie seine Einbindung in das internationale Netzwerk des islamischen Fundamentalismus dokumentiert eine 90-seitige Anklageschrift, in der die Bundesanwaltschaft auch das konspirativ abgeschottete Beziehungsgeflecht nachgezeichnet hat. Danach gehörten zu den «unmittelbar Tatausführenden» vom 11. September mit Mohammed Atta, Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah drei Mitglieder der Hamburger Zelle sowie weitere 16 Täter aus dem Netzwerk des internationalen islamistischen Fundamentalismus. Neben diesen bei den Terrorakten umgekommenen Attentätern hat nach Überzeugung des Generalbundesanwalts noch «eine größere Anzahl zum Teil noch unbekannter Personen in Afghanistan, in Ländern des arabischen Raumes und in Deutschland als Planer, Unterstützer und Finanziers» mitgewirkt.
Die Anschläge seien das Werk eines maßgeblich von Bin Ladens Terrororganisation Al Qaida bestimmten internationalen Netzwerkes gewaltbereiter islamischer Fundamentalisten gewesen, wobei die Hamburger Zelle als «Basislager» angesehen werden könne.
Im Zentrum des Hasses der Hamburger Atta-Gruppe hätten «das Weltjudentum und die Vereinigten Staaten» gestanden, sagte Nehm. Motassadeq habe sich «besonders hervorgetan». Er habe den Massenmord der Nazis an den Juden während der NS-Zeit gutgeheißen und Terrorakte sowie die gewaltsame Bekehrung Ungläubiger zum Islam befürwortet.