Berlin - Regierung und Opposition sind sich über eine rasche und großzügige Aufbauhilfe für die Opfer der Flutkatastrophe einig. Über den richtigen Weg bei der Finanzierung gibt es aber grundsätzliche Unterschiede. Im Bundestag lieferten sich beide Seiten am Donnerstag darüber einen heftigen Schlagabtausch. Nach der turbulenten Debatte sprachen sich Redner von SPD und Grünen für das Finanzpaket mit einem Umfang von insgesamt zehn Milliarden Euro aus.
Bei ihrem zweiten Aufeinandertreffen im Plenum machten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein Unions-Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) als Hauptredner die kontroversen Standpunkte deutlich. In einer Regierungserklärung wies der Kanzler den Unions-Vorwurf scharf zurück, den Wiederaufbau «auf Pump» zu bezahlen. Die Lasten dürften nicht «unseren Kindern und Kindeskindern» aufgebürdet werden. Der von der Koalition eingeschlagene Weg verteile dagegen die Lasten fair und sozial ausgewogen.
Stoiber äußerte zwar Respekt für die Leistung der Regierung beim Krisenmanagement. Die Verschiebung der Steuerreform sei aber nichts anderes als eine Steuererhöhung, während mit dem Unions-Konzept nur die Schulden langsamer abgebaut würden. «Höhere Steuern kommen uns teurer zu stehen als höhere Zinsen», sagte Stoiber. Das rot-grüne Rezept sei «Gift» für Wirtschaft und Arbeitnehmer.
Scharf attackierte Finanzminister Hans Eichel (SPD) Stoibers Rede. «Wir zahlen sofort. Sie schicken ihre Rechnung unsern Kindern und Enkelkindern», sagte der SPD-Ressortchef. FDP-Chef Guido Westerwelle nannte die Vorschläge von Union und Rot-Grün als «den falschen Weg». Die FDP will alle Subventionen und Haushaltstitel pauschal um zehn Prozent kürzen. Für die Grünen verteidigte Außenminister Joschka Fischer die Ökosteuer als richtiges Mittel gegen eine weitere Schädigung des Klimas. PDS-Fraktionschef Roland Claus forderte eine einmalige Abgabe von 500 000 Euro auf große Vermögen. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) befürchtet, dass angesichts der immensen Schäden in seinem Land die bislang bewilligten Hilfen nicht ausreichen.
Der Kanzler gab die Berufung eines Rates von ehemaligen Politikern bekannt, die Streitfälle bei der Verteilung von Hilfsgeldern schlichten sollen. Geleitet wird die Kommission vom früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
Mehr als sieben Milliarden Euro des Finanzpaketes sollen durch die Verschiebung der für 2003 geplanten Steuerreform um ein Jahr sowie durch eine befristete Erhöhung der Körperschaftsteuer um 1,5 Prozentpunkte aufgebracht werden. Die anderen Gelder sollen aus EU-Hilfen und Umschichtungen im Verkehrsetat fließen. Das Bundeswirtschaftsministerium überwies gestern eine erste Teilzahlung von 100 Millionen Euro als Soforthilfe. Das Geld stehe Sachsen und den anderen Ländern von Freitag an zur Verfügung, sagte eine Ministeriumssprecherin. Unternehmen können bei den zuständigen Landesstellen bis zu 15 000 Euro pro Antragsteller bekommen.
Die Union, die die Flutschäden über die Bundesbankgewinne finanzieren möchte, will die rot-grünen Pläne nicht blockieren und sich bei der Schlussabstimmung in zwei Wochen enthalten. Während die PDS mit der Koalition votieren will, kündigte die FDP als einzige Fraktion Ablehnung an. Endgültig soll das Paket am 12. September verabschiedet werden. dpa