«Russland destabilisiert Georgien seit zehn Jahren mit Absicht»

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A. Manutscharjan

Tiflis - Die aktuelle Krise in den georgisch-russischen Beziehungen ist nur das Glied einer ganzen Konfliktkette, die die bilateralen Beziehungen schwer belastet. «Russland destabilisiert Georgien seit zehn Jahren mit Absicht. Wir haben mit Moskau mehr Probleme, als uns lieb ist», sagt die georgische Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse. Sie reichten von den Konflikten in Abchasien und Südossetien, die Moskau inspiriert habe, über den Wunsch Georgiens nach Schließung der «in unserem Land verbliebenen russischen Militärbasen», bis zur Orientierung von Tiflis in Richtung Westen.

Russlands Präsident Wladimir Putin «erkennt die territoriale Integrität Georgiens zwar bedingungslos an», sagt Frau Burdschanadse (Jahrgang 1964, promovierte Juristin, Mutter zweier Söhne). Jedoch verfolgten «gewisse Militärkreise in Moskau gegenüber Georgien eine andere Politik». Auf ihr Drängen solle Schewardnadse insbesondere auf eine Nato-Mitgliedschaft Georgiens verzichten.

Die Georgier hingegen intensivierten ihre militärische Kooperation mit der Allianz, insbesondere mit den USA. 300 US-Soldaten sind in der Kaukasusrepublik stationiert, um georgische Einheiten im Anti-Terror-Kampf zu schulen. Die nationalen Minderheiten, Abchasen und Osseten, indes glauben, dass Tiflis mit US-Militärhilfe die seit 1991 abtrünnigen Provinzen wieder in den georgischen Staatsverband integrieren will.

An der georgisch-abchasischen Grenze sind auf der Grundlage einer UN-Resolution seit 1994 russische «friedensstiftende Kräfte» stationiert, die den Waffenstillstand garantieren sollen. Beobachter der UN-Mission Unomig, unter ihnen elf Bundeswehrangehörige, überwachen deren Auftrag. Ein gefährlicher Einsatz: Im Oktober 2001 wurde ein UN-Hubschrauber während einer Patrouille abgeschossen. Neun Beobachter, unter ihnen ein deutscher Oberstabsarzt, starben. «Wir wissen nicht, wer es getan hat», bekennt die Parlamentspräsidentin. Sie setze sich «für eine Modifizierung des UN-Mandats und die Stationierung einer internationalen Truppe ein».

Ist Russland an allen Problemen Georgiens schuld? «Nein. Wir haben selbst schwere Fehler gemacht», unterstreicht die Politikerin und verweist auf die Entsendung georgischer Streitkräfte 1993 nach Abchasien. Dort arbeitet unterdessen die Zeit gegen Georgien: Mit Billigung Russlands haben bereits 50 000 Abchasen die russische Staatsangehörigkeit angenommen. Indem russische Behörden die Pässe ausstellten, «versucht Moskau, einen demografischen Wandel in Abchasien durchzusetzen. Ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht», klagt die Parlamentspräsidentin.

Auf Grund der permanenten Wirtschaftskrise, die einhergeht mit heftigen innenpolitischen Eruptionen, ist die Stimmung in der Kaukasusrepublik ohnehin zum Zerreißen gespannt. Hinzu kommt die aktuelle außenpolitische Auseinandersetzung, die Georgien in Russlands Krieg in Tschetschenien hineinzieht. Moskau beschuldigt Tiflis, Hunderten tschetschenischen Rebellen seit zwei Jahren im abgelegenen Pankisi-Tal Unterschlupf zu gewähren.

«Ich bin kategorisch gegen eine militärische Lösung der Konflikte», unterstreicht Nino Burdschanadse. Allerdings werde Georgien nie den Verlust Abchasiens und Südossetiens hinnehmen. Deshalb will die Parlamentspräsidentin hier die Anwendung von Gewalt nicht ausschließen: «Wenn wir stärker geworden sind, werden wir diese Probleme notfalls auf militärischem Wege lösen. Niemand hat das Recht, Georgien dafür zu verurteilen. Solange wir jedoch noch die kleinste Chance für eine friedliche politische Lösung des Konfliktes sehen, werden wir diese anstreben».