Die Vorschläge der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes sind in aller Munde und sollen möglichst schnell umgesetzt werden. Die Berliner Morgenpost sprach darüber mit dem Jenoptik-Chef und früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth.
Herr Späth, Edmund Stoiber spricht vom «Hartz-Gequatsche». Beurteilen Sie das Ergebnis der Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes genauso negativ?
Lothar Späth: Ich bin ja sehr positiv an das Thema herangegangen, aber im Laufe der Zeit zunehmend enttäuscht worden. Am Anfang gab es gute Ansätze, doch weil das Thema immer mehr mit dem Wahlkampf der SPD verknüpft wurde, ist davon kaum etwas übrig geblieben. Das Ziel, ein einvernehmliches Ergebnis zu präsentieren, hat die Inhalte völlig aufgeweicht.
Ursprünglich fanden Sie das Konzept «revolutionär».
Am Anfang war ja auch ein mutiges Konzept erkennbar. Aber dann hat sich daraus ein unverbindliches Palaver entwickelt, aus dem jede Woche irgendein Testballon hochgestiegen ist. Im dritten Schritt wurde aus der Hartz-Kommission eine Dauerwerbesendung für den Kanzler. Und jetzt, zum Wochenende, gibt es eine Art Sommerschlussverkauf. Die Artikel werden Stück für Stück auf den Markt geworfen, zu jedem beliebigen Preis, und die Schnäppchenjagd endet am Freitag im Französischen Dom.
Machen Sie jetzt nicht möglicherweise richtige Ansätze schlecht?
Es ist doch genau umgekehrt: Zerredet wird die Idee, den Arbeitsmarkt zu reformieren, von Hartz und vom Kanzler. Schröder erklärte am Wochenende, das Papier solle diese Woche im Kabinett verabschiedet werden - zu einem Zeitpunkt, wo der Schlussbericht noch gar nicht fertig ist. Hartz selbst sagt, es gebe noch viele Probleme, die jetzt geglättet werden müssten - was also will der Kanzler ohne weitere Debatte verabschieden?
Ein Superminister Späth, zuständig für Wirtschaft und Arbeit, wirft das Papier in den Papierkorb, wenn er nach dem 22.September in einer unionsgeführten Regierung sitzen sollte?
Das Papier stellt keine Basis dar, auf der wir aufbauen können. Wir werden uns zwar jede Anregung in dem Konzept noch einmal anschauen, aber wir müssen jetzt schon erkennen, dass der fundamentale Ansatz falsch ist. In dem Konzept geht es um die Verteilung von Arbeitsplätzen, die nicht aus dem Element der Wirtschaft entstehen sollen, sondern aus dem Element der Verwaltung.
Und positive Punkte gibt es gar nicht?
Ganz vernünftig sind Teile dessen, was zur Organisation der Arbeitsvermittlung in dem Papier steht. Und wenn bei den inhaltlichen Punkten die Ausdehnung der Zeitarbeit und mehr Flexibilisierung bei der Leiharbeit verlangt wird, dann ist das richtig, entspricht aber dem, was wir ohnehin schon lange fordern. Da stellt sich dann die Frage, warum das nicht schon im Job-Aqtiv-Gesetz der Regierung beschlossen wurde. Überhaupt ist doch erstaunlich, dass dieses Konzept so spät kommt. Die Regierung ist in Panik, weil sie vier Jahre lang geschlafen und sich mit 52 Gutachten vertröstet hat - und jetzt soll das 53. die Lösung bringen. Doch die Ankündigung, damit die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren, ist ein durchsichtiges PR-Manöver.
Was ist mit dem Job-Floater - erst sollten per Wertpapier 150 Milliarden Euro vor allem für die neuen Ländern gezeichnet werden, jetzt ist von 20 Milliarden die Rede. Eine gute Idee?
An dieser Riesendifferenz sieht man schon, wie wenig diese Idee gedanklich ausgereift ist. Das sind Blitzideen ohne viel Substanz. Man will Leuten Geld dafür geben, dass sie jemanden anstellen. Wenn aber die Arbeit selbst gar nicht da ist, führt das dazu, Arbeitskräfte nicht deshalb anzustellen, weil man sie braucht, sondern weil es Geld vom Staat dafür gibt. Dieser Ansatz ist einfach falsch.
Peter Hartz sagt, ganz wichtig sei, dass gleich zum 1. Oktober mit der Umsetzung von Reformen begonnen werde. Gibt es im Falle einer Unionsregierung zunächst Stillstand?
Gar nicht. Gleich nach der Regierungsübernahme beginnen wir mit der Umsetzung unseres Sofortprogramms. Wir werden als Ersatz für das von Rot-Grün abgeschaffte 630-Mark-Gesetz die 400-Euro-Jobs für den gesamten Arbeitsmarkt einführen, wir werden die steuerliche Absetzbarkeit von häuslichen Betreuungskräften beschließen, wir starten mit den ersten Punkten der Steuerreform, um den wirtschaftlichen Aufschwung einzuleiten.