Fischer rückt von Müntefering ab

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Arne Delfs

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering (SPD) gerät wegen seiner Strafanzeige gegen die «Bild»-Zeitung im Zusammenhang mit der Freiflug-Affäre immer stärker unter Beschuss. Gestern distanzierte sich auch die Grünen-Führung von Münteferings Vorstoß.

Berlin - Beim Streit über die Berichterstattung zur Bonusmeilen-Affäre handele es sich um eine «politische» und «keine justizielle Kontroverse», sagte der Spitzenkandidat der Grünen, Außenminister Joschka Fischer, gestern nach der Sitzung des Parteirats. Die Pressefreiheit stelle eine der Grundfreiheiten in einer demokratischen Gesellschaft dar und sei «unantastbar», sagte Fischer. «Wir haben unsere Haltung, Herr Müntefering hat seine.»

Die verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Angelika Beer, übte noch deutlichere Kritik an Müntefering. «Die juristische Zuspitzung ist der Sache nicht dienlich», sagte Beer der Berliner Morgenpost. Eine Zeitung habe das Recht, Informationen zu veröffentlichen, «auch wenn dies nicht jedem gefällt.» Erneut appellierte Beer an alle Abgeordneten, ihre Bonusmeilenkonten offen zu legen und Transparenz herzustellen.

Der Bundesvorsitzende der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, Ronald Schill, nannte den Vorstoß Münteferings absurd. «Diese Flüge sind eine Vorteilsnahme zu Lasten des Steuerzahlers», sagte Schill. Müntefering versuche auf «perfide Weise», die Täter zu Opfern zu machen.

Außenminister Fischer räumte in der Grünen-Politiker aber auch «Fehlverhalten» Einzelner in der eigenen Partei ein. Dennoch würde seine Partei «mit einem Maximum an Geschlossenheit» in den Wahlkampf gehen. Bedauerlicherweise hätten Mitglieder seiner Fraktion Anlass zur Kritik geboten, sagte Fischer. Sie hätten aber Konsequenzen gezogen oder die Angelegenheit bereinigt. «Damit ist das für uns erledigt.»

Fraktionschef Rezzo Schlauch hatte vergangene Woche eingeräumt, mit dienstlich erworbenen Bonusmeilen privat in den Urlaub nach Thailand geflogen zu sein. Die Bonusmeilen-Affäre von Schlauch war gestern auch Thema im Parteirat. «Rezzo Schlauch ist einmal falsch geflogen», sagte Grünen-Chef Fritz Kuhn. Darüber sei man «nicht erfreut». Weitergehende Konsequenzen lehnte Kuhn aber erneut ab. Der Parteirat stehe «geschlossen» hinter Schlauch. Dieser betrachtet die Sache für abgehakt. «Ich habe Fehler begangen und sie wieder gut gemacht, so weit es ging», sagte der Grünen-Politiker gestern in Hamburg. Am Wochenende hatten die grünen Landeschefs von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Schlauchs Verhalten kritisiert.

Die Grünen in Baden-Württemberg wiesen Rücktrittsforderungen gegen Schlauch wegen der Bonusmeilen-Affäre gestern zurück. Sein nicht statthafter Freiflug nach Bangkok sei zwar ein großer Fehler gewesen, sagte Spitzenkandidatin Uschi Eid in Stuttgart. Diesen habe Schlauch aber eingeräumt, nun sollte man es dabei belassen.

Als Folge der Bonusmeilenaffäre wird der Ruf nach einem neuen Besoldungssystem für Abgeordnete lauter. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kritisierte am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Sabine Christiansen» das gegenwärtige System als diffus. FDP-Chef Guido Westerwelle sprach sich für eine Bezahlung nach Leistung aus.

Meyer sagte, der nächste Bundestag solle darüber nachdenken, «ob man nicht wirklich für Angeordnete eine vernünftige adäquate Entschädigung braucht», aber dafür das «System von irgendwelchen steuerfreien Aufwandsentschädigungen» und anderem beseitigen solle. Der CDU-Politiker forderte Journalisten auf, die Höhe der Abgeordneteneinkommen nicht mit dem Neidfaktor zu bewerten. Jeder Sparkassendirektor verdiene mehr als der Bundeskanzler.

Auch FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt vertrat die Ansicht, es sei «kein Verantwortungsverhältnis», wenn ein Rundfunkintendant weit mehr bekomme als der Kanzler. In den «Westfälischen Nachrichten» sprach er von einem Irrtum, wenn Politiker für Unrecht genutzte Flugmeilen Spenden an soziale Einrichtungen zahlten. Das Geld stehe der Finanzkasse zu.

FDP-Chef Guido Westerwelle plädierte für die Einrichtung einer unabhängige Kommission, die beim Bundestagspräsidenten oder beim Bundespräsidenten angesiedelt sei. Dieses Gremium solle Vorschläge machen, an die sich das Parlament dann halte.