Berlin - Noch am Donnerstag hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in der Flugmeilenaffäre die Lufthansa ultimativ aufgefordert, ihm die Liste all jener Abgeordneten vorzulegen, die dienstlich erworbene Flugmeilen privat genutzt haben sollen. Doch nun gerät Thierse selbst in Erklärungsnot. Denn nach Darstellung des Bundes der Steuerzahler verfügte die Bundestagsverwaltung bereits im Oktober 2001 über Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Bonusmeilen. Ein entsprechender Brief des Steuerzahlerbunds «mit elf Fragen» sei von der Bundestagsverwaltung «eher ausweichend und abwiegelnd beantwortet» worden, erklärte der Vizepräsident des Verbandes, Dieter Lau. Ein Sprecher Thierses bestätigte den Eingang eines solchen Schreibens, wies die Darstellung des Verbandes aber als «falsch» zurück. Die Bundestagsverwaltung sei bis vor wenigen Tagen nicht über die private Verwendung dienstlich erworbener Flugmeilen informiert gewesen. Im Büro Thierses geht man nach wie vor davon aus, dass die Daten zu den Bonusmeilen direkt aus den «Computern der Lufthansa» stammten.
Die Lufthansa wiederum bezichtigt Thierse der Rufschädigung. Der Vorwurf, die Fluglinie habe Daten über die Reisen von Abgeordneten weitergegeben, stelle eine «Ruf- und Imageschädigung» dar, sagte Unternehmenssprecher Klaus Walther. Eine interne Untersuchung habe ergeben, dass das System «dicht» sei. Eine Herausgabe von Daten sei nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen.
Während das Thierse-Büro sich mit weiteren Stellungnahmen gestern auffallend zurückhielt, ging Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) in die Offensive. Fuchs warf dem Steuerzahlerbund und der «Bild»-Zeitung, die die Namen einiger betroffener Abgeordneter veröffentlicht hatte, vor, eine «politische Hetzjagd» zu betreiben. Ähnlich hatte sich zuvor Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf geäußert und von einer «parteipolitischen Kampagne» gesprochen.
Auffällig ist, dass bislang nur von der FDP kein Abgeordneter geoutet wurde. Aber seitdem bekannt ist, dass jener Mitarbeiter des Steuerzahlerbundes, der mit der Überprüfung der Bonusmeilen von Bundestagsabgeordneten betraut war, mittlerweile für die FDP-Fraktion in NRW tätig ist, sind auch die Liberalen im Verdacht, bei der Verbreitung der Namen mitgewirkt zu haben. Und einmal mehr steht Landeschef Jürgen W. Möllemann im Zentrum der Spekulationen.