Attentäter besuchte eine von deutscher Kirche getragene Schule

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Ulrich Sahm

Jerusalem - Atta Jusuf Sarasra (17), der Selbstmordattentäter, der sich am Dienstag in Jerusalem vor einem Schnellimbiss in die Luft sprengte und fünf Menschen dabei verletzte, war seit einem Jahr Schüler an der vom Berliner Missionswerk finanzierten Talitha Kumi Schule in Beth Dschalah. Am Donnerstag zerstörten israelische Soldaten Sarasras Elternhaus.

«Sarasra war hochintelligent, sehr fleißig und ein ganz ruhiger Schüler, still, unauffällig und gut», berichtet der lutherische Propst von Jerusalem, Martin Reyer. Er äußerte sich schockiert über die Tatsache, dass ausgerechnet ein «Musterschüler» von Talitha Kumi den Beschluss gefasst habe, in Jerusalem einen Mordanschlag auszuführen. «Wir wissen alle, welche Bedeutung Talitha Kumi hat und wie unermüdlich sich der Schulleiter Wilhelm Goller darum bemüht, auch in dieser schwierigen Lage einen Geist des Friedens und der Versöhnung aufrechtzuerhalten und seinen Schülern zu vermitteln.»

Schulleiter Goller sagte, für ihn sei das Selbstmordattentat «eine große Überraschung. . . Wir wollen Freiheit für die Palästinenser, verurteilen aber als Christen solche Akte.»

Die Verantwortliche für Talitha Kumi beim Berliner Missionswerk, Almut Notnagel, äußerte sich am Telefon über die Erwähnung der Schule im Zusammenhang mit Terrorakten nicht erfreut. «Wird denn etwa auch bei anderen Attentätern berichtet, welche Schule sie besuchen, wo sie herkommen und wer sie sind?» Das Argument, es seien Reportagen über die erste palästinensische Selbstmordattentäterin, Wafa Hidschasi, um die ganze Welt gegangen, ließ Frau Notnagel nicht gelten. Es sei «völlig überflüssig, Talitha Kumi beim Namen zu nennen», sagte sie.

Wenige Stunden nach dem Telefonat verschickte das Berliner Missionswerk eine unmissverständliche Presseerklärung: «Das Berliner Missionswerk als Träger und die Evangelisch Lutherische Kirche in Jordanien verurteilen in entschiedener Form das Bombenattentat. . . Dies entspricht nicht dem Geist der schulischen Erziehung, die auf Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit zielt. . . In nur einem Jahr konnte (der Attentäter) die pädagogischen Ansätze der Schule nicht verinnerlichen.» Seit Ausbruch des Palästinenser-Aufstands Intifada gegen die Besetzung von Autonomiegebieten durch israelisches Militär ist die Schule schon drei Mal in die Schlagzeilen geraten. Vor zwei Jahren wurde ein Lehrling der Hotelfachschule von Talitha Kumi getötet, als er nahe dem Schulgelände eine Bombe gegen Israelis legte, die vorzeitig explodierte. Im vergangenen April entdeckte der israelische Geheimdienst einen Brief des deutschen Repräsentanten bei der palästinensischen Autonomiebehörde, Andreas Reinicke, an den palästinensischen Geheimdienstchef Dschibril Radschoub. In dem Brief wurde Radschoub aufgefordert, das Eindringen bewaffneter Palästinenser auf das Schulgelände zu verhindern. Und jetzt stellt sich heraus, dass ein Selbstmordattentäter «Klassenbester» an der Schule war.

Talitha Kumi besteht aus einem Mädcheninternat mit 60 Schülerinnen und der Schule, die vom Berliner Missionswerk der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg getragen wird. Die 850 Jungen und Mädchen werden hier vom Kindergartenalter bis zum Abitur betreut. Ein Fünftel der Schüler sind Moslems.