Berlusconi reformiert sein Recht

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Christian Spillmann

Rom - «Schande» skandieren wütende Demonstranten vor dem italienischen Senat in Rom. Mehrere hundert Demonstranten haben sich dort am Donnerstagabend versammelt, um gegen eine umstrittene Gesetzesänderung zu protestieren, die Regierungschef Silvio Berlusconi erneut in zweifelhaftem Licht erscheinen lässt. Auch im Senat selbst wird heftig debattiert.

Trotzdem stimmt das von den Konservativen dominierte Haus schließlich mehrheitlich für die Reform, die es Angeklagten ermöglichen soll, einen Richter wegen Befangenheit abzulehnen und die Verlegung ihres Prozesses an einen anderen Ort zu verlangen. Mehrere Senatoren der Opposition erschienen mit verbundenen Augen zur Debatte, «um den Horror nicht mi ansehen zu müssen». Aus Protest gegen die Neuregelung boykottierten nahezu alle Oppositionspolitiker das Votum. Die Änderung sieht vor, dass ein Prozess in eine andere Stadt verlegt werden kann, wenn der Beschuldigte den «berechtigten Verdacht» hat, dass der zuständige Richter parteiisch ist. Stellt der Angeklagte einen Antrag auf Verlegung, soll das Verfahren sofort unterbrochen werden. Erst wenn das Kassationsgericht den Vorwurf abgelehnt hat, soll der Prozess fortgesetzt werden. Lässt das Gericht die Beschwerde zu, fängt das Verfahren wieder bei null an. Kritiker bemängeln, die Gesetzesänderung sei «maßgeschneidert für den Ministerpräsidenten». Gegen den Unternehmer laufen Klagen wegen Bestechung von Richtern und Staatsanwälten sowie Bilanzfälschung im Zusammenhang mit dem Rückkauf des Lebensmittelkonzerns SME durch seinen Konzern Fininvest 1985. Der Prozess gegen Berlusconi wird vor einem Gericht in Mailand verhandelt. Die Anwälte des Regierungschefs haben den Richtern bereits Parteilichkeit vorgeworfen und die Verlegung des Prozesses nach Brescia gefordert. Berlusconi versichert, er habe keinen Einfluss auf die Gesetzesänderung genommen. Schließlich habe jeder Bürger einen berechtigten Anspruch auf einen unparteiischen Richter, sagt er.

Ezio Mauro von «La Repubblica» vertritt die Auffassung, die Italiener hätten ein Recht, zu erfahren, ob Berlusconi «schwerer Verbrechen, die im Ausland hart geahndet werden, schuldig ist oder nicht». Seit seiner Amtsübernahme mache Berlusconi Gesetze, um sich einen Passierschein ausstellen zu können, der es ihm erlaube, sich der Justiz zu entziehen. Er erinnert an die neu eingeführte Straffreiheit bei Bilanzfälschungen, die Behinderung von internationalen Rechtshilfeersuchen gegen Berlusconi und das nach Protesten der Opposition vorläufig eingestellte Vorhaben, Abgeordneten juristische Immunität zu verschaffen. Diese hätte die vorläufige Einstellung laufender Verfahren gegen Berlusconi und Parteikollegen zur Folge gehabt. AFP