Berlin - Bundeskanzler Schröder will das Abschlusskonzept der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarkts offenbar ohne Abstriche übernehmen. Seine gestrigen Beratungen mit der Kommission blieben allerdings ohne sichtbare Ergebnisse. Schröder zeigte sich dennoch optimistisch, dass das parteiübergreifend zusammengesetzte Gremium zu einer Einigung kommt. Er hatte gestern einen Zwischenbericht der Kommission erhalten.
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen gibt es in der Hartz-Kommission weiter Streit um die Frage der Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung. Als Kompromisslinie zeichnet sich eine Verschärfung der individuellen Sanktionsmöglichkeiten für arbeitsunwillige Arbeitslose ab. Dann könne auf allgemeine Leistungskürzungen verzichtet werden. Auch die konkrete Ausgestaltung der Personalserviceagenturen, der Zumutbarkeitskriterien, der Billigjobs und der «Ich AGs», mit denen sich Arbeitslose selbstständig machen sollen, sind noch umstritten. «Das ist alles noch nicht ausdiskutiert», sagte ein Kommissionsmitglied der Berliner Morgenpost. Deshalb plane die Kommission zwei zusätzliche Treffen, um ihren Abschlussbericht pünktlich am 16. August vorlegen zu können.
Vom Tisch ist dagegen die ursprünglich geplante Pauschalierung des Arbeitslosengeldes in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit. Hier gebe es verfassungsrechtliche Probleme. Mit einer Signaturkarte lasse sich zudem die erhoffte Entlastung der Arbeitsämter bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes ebenfalls erzielen.
Lothar Späth, Wirtschaftsexperte aus Edmund Stoibers Kompetenzteam, hat der Hartz-Kommission vorgeworfen, ihre ersten Vorschläge auf Druck der Regierung verwässert zu haben. Inzwischen seien alle die Gewerkschaften schmerzenden Vorschläge herausgenommen worden. Anfangs hatte Späth die Vorschläge als «revolutionär» gelobt, jetzt moniert er die «Konzeptlosigkeit» des Vorgehens. «Das ist eine Dauerwerbesendung», sagte er.
Unterdessen zeichnete sich in Union und SPD Zustimmung zu dem Hartz-Vorschlag ab, die Billigjobgrenze von 325 auf 500 Euro zu erhöhen. Späth sagte, er befürworte den Plan. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sprach von einem interessanten Vorschlag, den es zu prüfen gelte. Ziel sei es, die 3,95 Millionen Arbeitslosen und die bis zu 1,5 Millionen freien Stellen besser als bisher aufeinander abzustimmen.
Gestern Vormittag hatte sich die Kommission im Arbeitsministerium getroffen. Nach der Sitzung sagte Peter Hartz: «Wir arbeiten noch weiter.» Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, betonte als Mitglied der Kommission, es seien «viele Einzelfragen noch nicht abschließend geklärt». Er sehe aber «gute Chancen» für ein Erfolg versprechendes Konzept.
Vorwürfe der Einflussnahme der Regierung auf die Kommissionsarbeit wies Schröder zurück. Die Kommission werde ihre Vorschläge «in eigener Verantwortung und völlig unabhängig» präsentieren. Hartz dankte dem Kanzler dafür, dass dieser die Kommission erneut ermutigt habe, unabhängig und überparteilich zu arbeiten und mutige Vorschläge zu machen. Zum Streitpunkt Leistungskürzungen für Arbeitslose kündigte Hartz einen Vorschlag an, der breite Akzeptanz finden werde. Er sei sich sicher, «dass der Kommission in dieser schwierigen Diskussion ein Königsweg gelingen wird», betonte der VW-Manager, nach dem die Kommission benannt ist. Im Zentrum des Konzepts werde eine neue Zumutbarkeitsregelung für Arbeitslose stehen. Zudem gehe es um eine auf Effizienz ausgerichtete Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit. In der Kommission sitzen 15 Experten aus unterschiedlichen Bereichen. svb