Grenzen auch für Israel

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Dietrich Alexander

Es ist gerechtfertigt, Terroristen wie Salach Schehade, den Gründer des bewaffneten Arms der radikalen Palästinenserorganisation Hamas, zur Verantwortung zu ziehen. Er hatte schwere Schuld auf sich geladen, war schuldig der Anstiftung zum Mord und der Volksverhetzung, womöglich war er selbst ein Mörder. Ein Feind Israels, ja. Aber Israel ist eine Demokratie, und Schehades Verbrechen sind Straftatbestände für ordentliche Gerichte in einer funktionierenden Demokratie. Wenn Israel zivilisatorische Grundwerte in der brennenden Region des Nahen Ostens nicht hochhält, wer um Himmels Willen soll es denn dann tun?

Die Wahl solcher Mittel ist Israels nicht würdig. Der Tod Schehades mag militärisch ein «großer Erfolg» (Israels Ministerpräsident Ariel Scharon) sein, völkerrechtlich gesehen und nach humanitären Gesichtspunkten war die nächtliche Aktion kein Ruhmesblatt. Es muss in Zweifel gezogen werden, ob die israelische Regierung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel in ausreichendem Maße berücksichtigt hat.

Die Liquidierungstaktik der israelischen Armee ist ohnehin völkerrechtlich höchst umstritten. Dies gilt umso mehr, wenn derartig verheerende Auswirkungen in Kauf genommen werden: 15 Menschen starben bei dem Raketenangriff in Gaza, neun davon waren Kinder, darunter zwei Babys. Dies war kein gezielter chirurgischer, sondern ein unpräziser, grobschlächtiger Schlag, was schon die Wahl der eingesetzten Waffen verrät. Und er kam zu einem Zeitpunkt, da offenbar Verhandlungen zwischen Israel und den radikalen Milizen über ein informelles Stillhalteabkommen kurz vor einem erfolgreichen Abschluss standen.

Israels Geheimdienst und auch die Armee hätten wissen können, ja müssen, dass es bei einem solchen Angriff zu zivilen Opfern kommen würde. Das Haus war seit sechs Jahren bewohnt und lag inmitten eines dicht besiedelten Wohngebietes. Unglaubwürdig die Beteuerungen der Militärs, sie konnten mit der Anwesenheit von Zivilisten dort nicht rechnen.

Derartige Aktionen schwächen die Friedenswilligen und Dialogbereiten - auf beiden Seiten. Und sie ziehen noch mehr Tod und Leid nach sich, weil sie den Fanatikern auf palästinensischer Seite die Gelegenheit geben, nach Rache zu schreien. Der Tod von Kindern provoziert irrationales Verhalten, blanker Hass bemächtigt sich immer mehr der Herzen beider Völker - es ist kaum noch Platz für Versöhnung.

Vizeverteidigungsministerin Dalia Rabin-Pelossof, die Tochter des 1995 ermordeten Regierungschefs Itzhak Rabin, reichte umgehend ihr Rücktrittsgesuch ein, weil sie das politische Erbe ihres Vaters durch die Politik Scharons gefährdet sieht. Auch das sollte zu denken geben.