Gerüchte von einer Ablösung des Telekom-Chefs Ron Sommer beflügeln den Aktienkurs. Ganz im Sinne von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die verärgerten Kleinanleger als Wähler gewinnen will.
Die Geschichte hat alles, was ein Krimi auf dem Grat zwischen Wirtschaft und Politik braucht. Einen charismatischen Konzernchef, der sich kürzlich eine saftige Gehaltserhöhung zubilligte. 2,7 Millionen enttäuschte Kleinaktionäre, die sich um ihr Vermögen gebracht fühlen. Einen Aufsichtsrat, der seiner Pflicht vielleicht nicht hundertprozentig nachgekommen ist. Die Bundesregierung, die noch immer 43 Prozent am ehemaligen Staatsunternehmen hält und daher kräftig Strippen ziehen kann. Und schließlich die Union, die Rot-Grün für alles verantwortlich macht, was in diesem Staat schlecht läuft. Insbesondere jetzt, da sich der Wahlkampf der heißen Phase nähert.
Die tragische Hauptrolle spielt der 53-jährige Ron Sommer. Der promovierte Mathematiker wurde vor sieben Jahren aus einer Liste von 70 Topmanagern ausgewählt, um die angestaubte Telefonbehörde auf Vordermann zu bringen. «Man suchte «einen Unternehmensführer mit internationaler Ausstrahlung, einen brillanten Verkäufer, einen dynamischen Beweger - und den verkörperte Sommer», schreibt Biograf Peter Glotz (SPD).
In rasendem Tempo verpasste der Ex-Sony-Boy dem Unternehmen ein ganz neues Image. Und solange die Zahlen stimmten, ließen ihn die Beteiligten gewähren. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) freute sich über die dicken Dividenden und war vollends im Glück, als ihm die Versteigerung der multimediafähigen UMTS-Lizenzen satte 50 Milliarden Euro einbrachte. 8,5 Milliarden Euro davon überwies die Telekom. Und wenn es im Haushalt mal wieder eng wurde, verschaffte sich der klamme Kassenwart durch den Verkauf weiterer Anteile Luft. Gab der Kurs an der Börse die notwendige Summe nicht her, wurde das Paket bis auf weiteres bei der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zwischengeparkt.
Im gleichen Maß wie die rot-grünen Haushälter verfolgten auch die Kleinaktionäre den Kurs ihrer Volksaktie und jubelten, als der im März 2000 mit 105 Euro sein Allzeithoch erreichte. Doch dann kam der Absturz. Auf der letzten Hauptversammlung wurde Sommer von enttäuschten Kleinanlegern ausgebuht. Doch die Regierung stärkte dem Manager den Rücken. «Wir stehen zu Sommer, Gerüchte über eine bevorstehende Ablösung sind reine Spekulation», ließen Kanzleramt und Bundesfinanzministerium noch im Mai verkünden.
Nun aber scheint es, als würde Sommer den Herbst nicht überleben. Kanzler und Kassenwart hätten den Abgang bereits vergangene Woche beschlossen, meldete die ARD. Die «Wirtschaftswoche» gab Montag als Stichtag an.
Im Kessel wächst der Druck. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber kommt der Unmut der Kleinaktionäre, die sich allesamt um ihre Altersvorsorge betrogen fühlen, zu pass. Schließlich lässt sich damit vortrefflich gegen den Amtsinhaber punkten. Zwar forderte Stoiber den Kanzler im «Bild»-Duell zu «entschiedenerem Eingreifen» auf. In Wahrheit aber hoffen die Unionsstrategen, dass ihnen die Telekom-Misere bis zur Bundestagswahl erhalten bleibt. Denn dann kann sich Stoiber bei den noch ausstehenden Duellen als Anwalt des kleinen Mannes ausgeben. «Viele Kleinanleger haben der Telekom-Aktie vor allem deshalb vertraut, weil sie wussten, dass dahinter der Bund als Hauptgesellschafter steht. Die fühlen sich heute zu Recht im Stich gelassen. Denn die Bundesregierung ist ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen», leistet der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber Argumentationshilfe.
Doch den Anwalt des kleinen Mannes möchte auch Schröder spielen. Und dabei kann es ihm offenbar nicht schnell genug gehen. Die Entscheidung sei bereits gefallen. Jetzt gelte es noch die Modalitäten des Amtswechsels zu beraten, heißt es in hochrangigen SPD-Kreisen. Motto: keine Entlassung ohne erstklassige Inthronisierung.
Von sich aus zu gehen, schloss Sommer gestern erneut aus. Also wird er gegangen. Den ersten Schritt dazu machte das Präsidium des Telekom-Aufsichtsrates, dessen Tagesordnung einzig von der Personalie Sommer bestimmt wurde. Und schon schoss der Kurs des Papiers nach oben. Zweiter Schritt wird in der kommenden Woche die Sondersitzung des Aufsichtsrates sein. Die soll der Bund beantragt haben.
Die Ablösung scheint sicher. Denn auch im Aufsichtsrat wachsen Zweifel, ob Sommer für das, was bei der Telekom jetzt ansteht, der richtige Mann ist. Angesichts der angehäuften Schulden in Höhe von 65 Milliarden Euro brauchen wir einen knallharten Sanierer, heißt es in Kreisen des Kontrollgremiums. Der aber ist offensichtlich noch nicht gefunden.