Jedwabne-Pogrom weitgehend geklärt

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Warschau - Dicke Aktenbände stapeln sich bei den Staatsanwälten des Instituts des Nationalen Gedenkens (IPN) im ostpolnischen Bialystok: Zeugenaussagen, die in Polen, Israel, Deutschland, den USA und Kanada gesammelt wurden und die eine für viele Polen schmerzliche Diskussion zum Abschluss bringen sollen. 61 Jahre nach der Ermordung der jüdischen Bevölkerung der nahe gelegenen Kleinstadt Jedwabne am 10. Juli 1941 haben die für die Aufarbeitung nationalsozialistischer und stalinistischer Verbrechen zuständigen IPN-Ermittler den juristischen Schlusspunkt gesetzt.

«Polen spielten eine entscheidende Rolle bei der Ermordung der Juden von Jedwabne», sagte der ermittelnde Staatsanwalt Radoslaw Ignatiew, der das Pogrom als ein im Voraus geplantes Verbrechen bezeichnete. Damit bestätigte das IPN in den wesentlichen Punkten den Inhalt des Buches «Nachbarn», mit dem der in den USA lebende Historiker Jan Tomasz Gross vor mehr als zwei Jahren seine polnischen Landsleute verstört und eine noch nicht da gewesene Diskussion unter Historikern, Politikern und Theologen ausgelöst hatte. Jahrzehnte war die Schuld am Tod der Juden von Jedwabne den deutschen Besatzern zugesprochen worden. Erst Gross hatte unter Berufung auf Zeugen berichtet, die Täter seien polnische Nachbarn gewesen. Die von Gross angegebene Zahl von 1600 Opfern, die in einer Scheune bei lebendigem Leib verbrannt worden waren, halten die IPN-Ermittler allerdings für stark überhöht. Sie gehen von etwa 350 Opfern aus, die von einem aus etwa 40 Personen bestehenden Mob misshandelt und ermordet worden seien, während Dutzende von Nachbarn zuschauten. Aus den unterschiedlichen Angaben über die Opfer schließt der Jedwabner Pfarrer Edward Orlowski, dass alles ganz anders gewesen sein muss. «Die Ermittlungen wurden doch gar nicht abgeschlossen», sagte er trotzig in zahlreiche Fernsehkameras.

Orlowski und viele der in Jedwabne lebenden Menschen halten Gross für einen «Nestbeschmutzer», der dem Ansehen Polens schade. Mit dem in weiten Teilen der Gesellschaft verwurzelten Antisemitismus setzten sich viele Polen erst durch die «Jedwabne-Debatte» kritisch auseinander. «Es ist wichtig, dass die Wahrheit auf dem Tisch ist», sagte dagegen der israelische Botschafter Schewach Weiss. Weiss hatte die Entschuldigung des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski für die Beteiligung von Polen am Jedwabne-Massaker als Durchbruch in den polnisch-jüdischen Beziehungen bezeichnet. dpa